Antwerp Six
Mode Avengers aus Antwerpen erobern die Welt

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung
  2. Mode und Raum: Antwerpen als Modehauptstadt Belgiens
  3. Der Textile Plan - eine Revitalisierung der schwächelnden Modeindustrie
  4. Mythos Antwerp Six + 1 - Antwerp Avengers?
  5. Antwerp Six + 1 - Der Mythos lebt weiter
  6. Fashion Department der Royal Academy of Fine Arts Antwerp - Schluss
  7. Anmerkungen
  8. Bibliografie

1. Einführung

Fashion designers don’t usually come in six-packs, especially when they are such extremely different flavours. But then again, fashion designers don’t usually come from Antwerp, Belgium.[1]

London, 1986. Eine Gruppe unbekannter Mode-Design-Absolventen und -Absolventinnen der Akademie der Schönen Künste Antwerpens begibt sich mit den im Rahmen ihrer Ausbildung erstellten Werken und einem kleinen Transporter auf die British Designer Show in London, wo ihnen ein unerwartetes Medieninteresse zuteilwird. Bereits am zweiten Ausstellungstag schenken ihnen Einkäufer von Barneys, Bergdorf, Bloomingdales, Charivari sowie Liberty of London ihre Aufmerksamkeit. Die Presse tauft Ann Demeulemeester, Marina Yee, Dries Van Noten, Dirk Bikkembergs, Dirk Van Saene und Walter Van Beirendonck die „Antwerp Six“. (vgl. Bild 1) Der Mythos um die Antwerp Six avanciert zu einem weltweit bekannten Label, welches von der Presse, nicht zuletzt aufgrund der problematischen Aussprache ihrer Namen, beschworen wurde.[2] Die Antwerp Six bleiben bis in die Gegenwart memorabel, da sie das seltene Phänomen der Weltbekanntheit über Nacht repräsentieren. Doch was verschaffte ihnen diesen plötzlichen Ruhm und wie sah die Zauberformel dieser talentierten Jungdesigner aus? War es Zufall, Talent oder eine gewisse Persönlichkeit? Trug der Herkunftsort Antwerpen dazu bei, oder verhalf der kurze Aufenthalt in London zu ihrem Durchbruch? Waren es die akademische Ausbildung oder eine unvermutete Genialität?

 

2. Mode und Raum: Antwerpen als Modehauptstadt Belgiens

Antwerpen, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, ist eine Hafenstadt der Region Flandern in Belgien mit ca. einer halben Million Einwohnern. Im 15. und 16. Jahrhundert galt die Stadt zeitweise als eine der wichtigsten Handelsmetropolen, wie auch als kulturelles Zentrum Europas. Antwerpen avancierte zur Wirkstätte vieler berühmter Künstler, darunter Peter Paul Rubens (1577-1640), Anthonis van Dyck (1599-1541), Jan Brueghel der Ältere (1568-1625), seinen Sohn Jan Brueghel den Jüngeren (1601-1678) wie auch den französisch-flämischen Buchdrucker und Verleger Christoph Plantin, dessen Haus heute das Plantin-Moretus-Museum bildet und zum UNESCO-Welterbe gehört. Diese Spuren schreiben sich bis in die Gegenwart fort: Die Stadt birgt zahlreiche weitere, zum Welterbe gehörende Sehenswürdigkeiten und wurde zur Kulturhauptstadt Europas des Jahres 1993 ernannt.

Im historischen Rückblick trug die Hafenlage Antwerpens zu seiner vielseitigen kulturellen Ausformung bei, die sich vor allem im Süden der Stadt durch zahlreiche kulturelle Einrichtungen zentriert. Diese historischen Fakten vermögen jedoch lediglich ansatzweise die Entwicklung einer kleinen Stadt wie Antwerpen zu einer weltbekannten Modestadt zu erklären. Wie konnte ein Ort wie dieser in den 1980ern und 90ern so viele talentierte Designer hervorbringen? – Eine Frage, mit der sich Modejournalisten seit den letzten dreißig Jahren auseinandersetzen. Was macht die flämische Identität aus und spricht man von Mode aus Antwerpen, Flandern oder Belgien? Obwohl diese Idee der nationalen Identität zentral für die Geschichte der Designer aus Antwerpen ist, gilt sie als komplexer und problematischer Streitpunkt: Alle im Rahmen dieser Ausarbeitung untersuchten Designer entwickelten zwar unabhängig von ihren Mitstreitern ihre eigene Handschrift, jedoch vereint sie die gemeinsame Basis der Ausbildung an der Royal Academy of Fine Arts Antwerp oder der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten (Königliche Akademie der Schönen Künste) Antwerpens – ein Curriculum, welches Kreativität, Individualität und die Entwicklung der persönlichen Identität fokussiert.[3]

Das Fashion Department der Akademie bildet den Mittelpunkt der Südstadt Antwerpens, wo sich zudem zahlreiche kulturelle Einrichtungen konzentrieren. Die Akademie der Schönen Künste wurde bereits im 17. Jahrhundert gegründet und feierte 2013 ihren 350. Geburtstag. An der später gegründeten Modeakademie wurden viele bekannte Modedesigner ausgebildet, sodass Antwerpen mittlerweile einen wichtigen Stellenwert in der Modewelt einnimmt und mit den führenden Modehauptstädten wie New York, Paris, London und Mailand konkurrieren kann. Hier stellt sich die typisch „strukturelle Nähe von Mode und Urbanität“ unter Beweis.[4]

Bild 1. Einladung zu einer Modeschau in Antwerpen mit dem Bildnis der "Antwerp Six" (© MoMu-Geert Bruloot Archives MoMu, Antwerpen 1985).

 

3. Der Textile Plan – eine Revitalisierung der schwächelnden Modeindustrie

Sowohl die niederländische als auch die belgische Mode sahen sich lange Zeit vom Pariser Schneiderhandwerk beeinflusst. Vor allem die belgische Modevision wurde von französischer Eleganz dominiert.[5] In den frühen 1920er Jahren entwickelte Belgien eine starke Textil- und Bekleidungsindustrie und galt dabei als wichtiger Importeur französischer Mode. Belgische Hersteller wurden dabei oft mit ihrem französischen Pendant verglichen: Sie verorteten sich nicht nur näher zu Paris als viele der französischen Manufakturen, sie erwarben auch offizielle Couture-Lizenzen. 1919 initiierte Belgien eine Chambre Syndicale de la Haute Couture Belge, die eng mit der französischen Chambre Syndicale de la Haute Couture kooperierte. Autorisierte Kopien aus Paris wurden so durch die belgische Haute Couture hergestellt und produziert, was den Ausbau der Textil- und Bekleidungsindustrie des Landes begünstigte.[6] Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren sowohl die Niederlande als auch Belgien Anhänger der Pariser Mode, sodass sie sich durch ähnliche Modesysteme wie auch eine ähnliche Modekultur auszeichneten.[7] In den 1980er Jahren sollten die beiden Länder jedoch sehr unterschiedliche Konzepte nationaler Identität als eine Promotionsstrategie der inländischen Modedesigner entwickeln.[8]

Die belgische Regierung unternahm in den 1980er Jahren erste Initiativen, um die Modeindustrie angesichts starker Rezessionen in den 70ern strategisch zu stärken. Der Ministerrat bewilligte im August 1980 einen Fünfjahresplan mit Finanz- und Serviceleistungen. Im Februar 1981 wurde der Vorstand des ITCB (Institute of Textile and Clothing of Belgium) gegründet, welcher den Textilen Plan unter Beirat der Vorsitzenden Helena Ravijst koordinierte:

When I received the assignment, there was virtually no form whatsoever of promotion for Belgian fashion. The meetings I had with manufacturers repeatedly made it clear that we had no image at all. In order to be able to export, an image is absolutely essential, so that had to be worked on. My proposal, therefore, was in the first place to bring our own creativity to the forefront, something that people at that time simply did not believe in. A Belgian manufacturer who wanted to establish a collection looked abroad for ideas. They did not work enough with Belgian designers.[9]

Im November desselben Jahres jedoch novellierte die Europäische Kommission den Plan und genehmigte ihn lediglich für ein Jahr. Im Jahre 1983 legte die belgische Regierung einen zweiten Plan mit sozialen, finanziellen und dienstleistenden Maßnahmen vor, dem die Europäische Kommission schließlich zustimmte, sodass die Aktionen mit der vom belgischen Modeindustrieverband ITCB ins Leben gerufenen Kampagne „This is Belgian/ Dit is België“ unmittelbar starten konnten. Im Juli 1984 endeten die finanziellen Maßnahmen.[10]

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sah sich Belgien von einer stark benachteiligten Position in der Textilbranche beeinträchtigt: Die belgische Textilindustrie litt unter hohen Produktionskosten, während Frankreich, Deutschland und Italien von einem großen Binnenmarkt profitierten. Darüber hinaus nehmen Frankreich und Italien bis heute eine führende Rolle in der kreativen Textilbranche ein, wodurch preisirrelevante Faktoren wie z.B. das Branding "Made in France" den Anspruch des niedrigen Produktpreises vermeidet. Auf diese dominante Marktposition einiger europäischer Länder verweist unter anderem auch die Tatsache, dass viele belgische Modeschöpfer ihre wahre Herkunft zu verschleiern versuchten und italienisch oder britisch klingende Namen wie zum Beispiel Olivier Strelli, Scapa of Scotland, Cortina und Rivoli annahmen.[11] Die Kampagne „This is Belgian“ sollte genau diesen Verschleierungsstrategien entgegenwirken und den Namen Belgien in Verbindung zu nationalen Luxusmarken, insbesondere im Modebereich, setzen.[12]

Diese Regierungsinitiative des „Textilen Plans“ (Het Textiel Plan) strebt kommerzielle Erfolge sowie Markenbildung an. Der Plan lässt die Mode zum Konzept nationaler Identität avancieren, welches auf den drei Komponenten der ästhetischen Alleinstellungsmerkmale, kultureller Praktiken und Artikulation basiert. So entsteht eine als natürlich empfundene Verbindung zwischen dem modischen Stil und der nationalen Identität Flanderns und Belgiens. Der Erfolg der flämischen Mode ist somit das Resultat des Textilen Plans und seiner folgenden Identifikation mit der Stadt Antwerpen. Durch diese Regierungsmaßnahmen funktionierten politische und wirtschaftliche Umstände als Impulsgeber für die entstehende Verbindung zwischen nationaler Identität und kreativer Praxis, so Gimeno Martinez in seiner Studie über die „Antwerp Six“: „The label “Belgian Fashion” therefore can be seen as an outcome of the Textile Plan of the 1980s in a process where political and economic circumstances acted as catalysts for the identification of a creative practice with a concept of place”.[13]

Bild 2. Ann Demeulemeester (© MoMu – Fashion Museum Antwerp, 1992).

Die ehrgeizige Revitalisierungsstrategie der schwächelnden Textilindustrie unterstützte dabei die Neustrukturierung von Unternehmen und finanzierte Marketingkampagnen sowie Bildungsinitiativen. Die Kampagne „Dit is België“ steigerte dabei maßgeblich das Image belgischer Mode. Dabei ermöglichte der von Ravijst organisierte Gouden Spoel-Preis jungen Designern sowohl die Finanzierung als auch die lokale Produktion einer Kollektion.[14] Die Jury des Wettbewerbs bestand dabei aus einem internationalen Verband führender Textilhersteller, Modespezialisten, Designern und Journalisten. Derart erhielten die Teilnehmer die Möglichkeit, auf einem professionellen Niveau zu arbeiten: „Even more importantly, this meant a gradual increase in confidence on the part of manufacturers in our own designers, and for the first time, the designers themselves sensed that they had an enthusiastic audience for their collections”.[15] Der Preis bot weiterhin die Gelegenheit, den Kontakt zu lokalen Fabrikanten herzustellen: Die Antwerp Six profitierten sowohl von dem Preis als auch von dem erleichterten Zugang zu den Produktionsmöglichkeiten, sodass sie auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermochten. Dies sicherte ihnen den langsamen Aufbau ihrer eigenen Unternehmen.[16]

Die Kooperation zwischen den regionalen Herstellern und den Designern funktionierte jedoch nicht wie gewünscht, sodass Ann Demeulemeester und Dirk Bikkembergs gezwungen waren, sich nach kurzer Zeit internationale Produzenten zu suchen. Diese Tatsache verweist bereits auf die Insolvenz vieler Manufakturen im Inland. Mit der fortschreitenden Regression der Textilindustrie ging unweigerlich die geografische Reduktion des Terminus der belgischen Mode auf die flämische Mode aus Antwerpen einher.[17] (Siehe z.B. die heutigen Verkaufswebsites von Demeulemeester und Bikkembergs.)

 

4. Mythos Antwerp Six + 1 – Antwerp Avengers?[18]

They did not have a common style, but the press story of the “Antwerp Six” was so much more interesting than just a few new designers. Everyone wanted to go and see their perfect booths, press files, and photo shoots. Their 1988 show in the Westway Studios was a real guerrilla event, staged very differently from anything ever done before. (Presseagentin der Antwerp Six Marysia Woroniecka)[19]

Die Antwerp Six profitierten von dem zuvor beschriebenen Textilen Plan, der ihnen mitunter den Aufstieg ermöglichte. Wie schon die oft vollzogene Herkunftsverschleierung belgischer Modeschöpfer vor Augen führt, war auch den sechs angehenden Designern der namentliche Nachteil bewusst, zumal Name und Markenbildung einen großen Anteil zu Ruhm und Erfolg beitragen. Die von der Presse in London getroffene Vereinfachung der „Antwerp Six“ war demnach ein willkommener Gruppenname, der zur strategischen Mythisierung um die Designabsolventen beitrug: „The group name and Antwerp identity served as a vehicle that enabled the press to position the iconoclastic energy and artistic vision of these designers“.[20] Unter der Zuzählung von Martin Margiela, der an derselben Schule zwar Industriedesign studierte, sich aber in der Modebranche einen Namen verschaffte, wird die Designergruppe auch „Antwerp 6+1“ genannt. Margiela, der demnach fälschlicherweise oft zu den Antwerp Six dazugezählt wird, schaffte es nach seinem Abschluss sogar bis in die Pariser Haute Couture bei Jean Paul Gaultier.[21]

Mit dem enthusiastischen Ziel der Erweiterung der Reichweite begab sich also die kleine Gruppe von Designern im Jahre 1986 in einem gemieteten Transporter nach London, um sich dem internationalen Markt zu präsentieren. Aus finanziellen Gründen teilten sie sowohl den Transporter als auch den Messestand. Dabei wurde ihnen eine unerwartete Medienaufmerksamkeit zuteil, sodass ihnen über Nacht der internationale Durchbruch gelang – der Karrierestart war gesichert: „From the beginning, the successes of this generation were supported and stimulated by close collaboration with photographers, stylists, graphic designers, make-up artists and models, whose contributions reinforced the impact made by the Antwerp designers’ vision of fashion”.[22] In diesem Zusammenhang gilt es stets, Fotografen wie Ronald Stoops, Patrick Robyn und Phil Inkelberghe, Grafikdesigner wie Anne Kurris und Paul Boudens, wie auch die innovative Arbeit der Make-up Artistin Inge Grognard zu berücksichtigen.[23] Diese Kooperationen verleihen der intermedialen Zusammenarbeit und dem kreativen Brodeln der 80er Jahre Ausdruck, da Mode, Musik, Kunst und Magazine in einer subkulturellen Melange gemeinsam neue Kreationen hervorbrachten.

Die Zauberformel für den Erfolg basierte dabei auf verschiedenen Komponenten: Die Absolventen profitierten nicht nur von den Investitionen ihres Heimatlandes in die Textilindustrie, sie entwickelten sich auch in einem Jahrzehnt geprägt von Dynamik, Vitalität, Kreativität und Risikobereitschaft im Hinblick auf Designstrategien. Die Modewelt der 80er Jahre brach mit den Konventionen und zeichnete sich durch Anarchie, Rebellion, sowie zahlreiche neue Transformationen aus, die die Entstehung von Subkulturen begünstigten und somit den Nährboden für den Erfolg junger wagemutiger Designer schufen. Dem Aufstieg der Antwerp Avengers stand somit nichts mehr im Weg.[24]

There was so much energy when we all came together in Antwerp, it was like a bomb. The ‘Cinderella’ was the place where we went out: an underground discotheque at Stadswaag, very alternative and hardcore. We danced to Bowie, new wave, punk – all kinds of genres. Amazing. (Walter van Beirendonck im Interview mit Dominique Nzeyimana)[25]

Vor allem in London etablierte sich eine breite Landschaft von Subkulturen, die der Idee des unabhängigen, kreativen und mutigen Risikoträgers in einer Immersion von Musik, Kunst und Mode Ausdruck verliehen. In der Undergroundszene entwickelten sich darüber hinaus subkulturelle Magazine, die unter anderem über die Londoner Modewelt berichteten. Auch die britische Regierung bemerkte das Potenzial junger Designer und unterstützte diese finanziell: Die 1980er zeugten somit von einem finanziell realisierbaren Business im Modedesign. Die Designer, die aus diesem kreativen, subkulturellen Schmelztiegel geboren wurden, kreierten von den sozialen Umständen beeinflusste Kollektionen: Neben dem Anstieg von Wohlstand existierte auch noch eine negative Parallelwelt, geprägt von sozialer Unruhe, terroristischen Anschlägen, einer hohen Arbeitslosenquote, Streiks und der Entdeckung von HIV. In dieser Periode herrschte folglich eine brisante Negativität, auf die reagiert werden musste – die Mode avancierte zugleich zur Ausdrucksform und zum Zufluchtsort.[26]

Bild 3. Walter van Beirendonck: W.A.R: Walter About Rights. 2021/ 21 (© MoMu – Fashion Museum Antwerp, 2021).

Diese Transformationen innerhalb der Modelandschaft erwiesen sich für die Antwerp Six als ausschlaggebend. Die internationale Weltbühne öffnete sich für junge Designer und London, als der Startpunkt des Debuts, repräsentierte die Weltoffenheit schlechthin. Wirtschaftlich gesehen waren Unternehmen investitionsfähig, während politische Unruhen, auf die reagiert werden musste, Kreativität unterbewusst förderten. Der Wandel erwies sich als ansteckend, denn nicht nur in London, sondern auch in der Heimatstadt Antwerpen ließen sich maßgebliche Transformationen in der Modelandschaft vernehmen, was die Initiative des „Textilen Plans“ unter Beweis stellt. Hier war es den sechs Jungdesignern möglich, eine von ihren Kommilitonen unabhängige Handschrift zu entwickeln. Die Akademie förderte dabei eine gesunde Konkurrenz: Sie designten alle verschiedene Werke, sodass sie füreinander keine direkte Bedrohung darstellten. Dies stärkte den Zusammenhalt der Absolventen untereinander und ließ die Gruppe als hybrides Ganzes in Erscheinung treten. In einem Interview bestätigt Walter van Beirendonck die gegenseitige Inspiration, die aus einem kreativen Nebeneinander resultierte: „When we met, we all had different strengths and weaknesses, and we were inspired by one another”.[27] Die Designergruppe betrachtete weiterhin die Anonymität Antwerpens zu diesem Zeitpunkt als Vorteil: „We were spared having to make too many compromises too early“.[28]

Die damaligen Lehrmethoden der Akademie fokussierten ausschließlich kreativitätsfördernde Methoden und ließen den Anspruch kommerzieller Rentabilität außer Acht, um den Designern die unbeschränkte Kreativitätsentfaltung zu ermöglichen. Somit brachte die Institution in den 80ern eine Abschlussklasse hervor, die den Weltblick auf flämische Mode für alle Zeiten verändern sollte.

 

5. Antwerp Six+1 – Der Mythos lebt weiter

Obwohl sich das Klima, in dem sich die Antwerp Six entwickelten, seither unermesslich wandelte, statuieren sie mit ihrer Geschichte auch heute noch ein Exempel für viele Designer. Die Gruppenidentität, die ihnen gemeinsame Kraft für den Karrierestart verlieh, löste sich im folgenden Jahrzehnt aber zunehmend auf, da die Antwerp Six+1 fortan individuelle Handschriften entwickelten.

Ann Demeulemeester arbeitete von Anfang an eng mit ihrem Partner und Fotografen Patrick Robyn zusammen und erschuf ein hoch photographisches, poetisches Frauenbild. In ihrem Universum gleiten die Grenzen des binären Gender Dresscodes ineinander.[29] Inspiriert von der Punk- und Rock 'n' Roll-Szene, waren Demeulemeesters Kollektionen stets von Wildheit, freiem Geist und Rebellion geprägt. (vgl. Bild 2) Der häufige Gebrauch von Tauben- und Hahnenfedern repräsentiert eben jene beflügelten Freiheitsgedanken.[30] Auf ihrer Suche nach dem perfekten Schnitt kreierte sie geschickt konstruierte Kleidungsstücke, die sich durch eine anmutende Dynamik auszeichnen.

Während Ann Demeulemeester für asymmetrische und körperferne Designs einsteht, konstruiert Dries van Noten durch hochwertiges Schneiderhandwerk, farbige Drucke und drapierte Formen für ihn charakteristische, exotische Designs. Er entwickelte darüber hinaus 1985 sein eigenes Label mit Frauen- und Männerkollektionen und öffnete 1989 seinen eigenen Store „Het Modepaleis“ oder auch „The Fashion Palace“.[31] Sein Stil impliziert dabei eine Umwertung alter Techniken, wie Stickerei und Textildruck, die von Einflüssen verschiedener Kunstrichtungen und Ethnien zeugen. Seine Modenschauen sind bekannt für ihren Eventcharakter, allen voran die weltbekannte 50. Show der Frühlings-/ Sommerkollektion 2005.[32]

Walter van Beirendonck, der heute die Modeabteilung der Akademie leitet, überzeugt durch schrille Farben und Prints voller künstlerischer und popkultureller Referenzen. (vgl. Bild 3) Er arbeitet bevorzugt mit Selbstinszenierungen sowie provokanten Details und interessierte sich bereits während seiner Studienjahre für gesellschaftliche Themen und Kunst.[33] In den 1990ern erreichte er durch eine Männerkollektion für verschiedene Körpertypen seinen Durchbruch und ging eine Partnerschaft mit Mustang unter dem Wild & Lethal Trash-Label ein. Seine Modenschauen zeichneten sich durch faszinierende Performances aus, die künstlerische Statements mit expliziten Silhouetten und Hightech-Materialien verbinden. Bis heute beschäftigt er sich mit Männerbekleidung, die sowohl Gendernormen sprengt als auch soziale Themen fokussiert.[34]

Auch der gebürtige Deutsche Dirk Bikkembergs überzeugte durch spektakuläre Modenschauen, auf denen er hauptsächlich seine visionären Ideen der Verbindung von Sport und Haute Couture präsentierte.[35] Sein Label steht unterdessen exemplarisch für „Sport Couture“ und integriert zahlreiche Elemente aus der Welt des Fußballs. Dirk van Saene verschrieb sich, ähnlich wie Walter van Beirendonck, der Akademie, an der er unterrichtet. Nebenbei betreibt er eine Boutique und kooperiert mit Marina Yee, dem mysteriösesten Mitglied der Antwerp Six. Beide arbeiten darüber hinaus als Kuratoren, wobei vor allem letztere das Rampenlicht meidet. In ihrem Atelier praktiziert Marina Yee nachhaltige Designstrategien, wie zum Beispiel Upcycling: Dafür verwendet sie Verschnitt und alte Kleidungsstücke, um aus ihnen Einzelstücke zu kreieren und so einen kritischen Ausdruck zum ewigen Konsumzyklus der Mode zu finden.[36] Sie repräsentiert somit den in der Modeszene Antwerpens essenziellen Nachhaltigkeitsgedanken von Bekleidungsmode, der in den letzten Jahren zunehmend anklang, umso mehr.

Der insgesamt langanhaltende Erfolg der Antwerp Six+1 basiert dabei nicht nur auf den Entwürfen und Kollektionen, sondern auch auf ihren Marketingstrategien: Sie alle vermieden stets große Werbekampagnen und konzentrierten sich auf eine ausgeglichene Arbeitsweise, bei der sie dem Werk allein ihre volle Aufmerksamkeit widmeten. Dies impliziert darüber hinaus eine nachhaltige Vorgehensweise à la „weniger ist mehr“. In Anbetracht der gegenwärtigen Fast Fashion Industrie ist das Vermächtnis der Antwerp Six+1 angesichts ihrer vollzogenen Entschleunigung stets relevant. Fast Fashion und der damit einhergehende rapide Modewandel gerät auch bei anderen belgischen Designern, wie zum Beispiel bei dem Industrie- und Modedesigner Raf Simons, in Kritik: 2015 gab er sein Engagement als künstlerischer Direktor der Damenkollektionen von Dior auf, um sich mehr Zeit für eigene, nachhaltigere Kollektionen zu nehmen. So wie die Antwerp Six+1 ist auch er ein gefeierter Absolvent der Akademie. Die Digitalisierung bewirkt nicht nur eine Umstrukturierung des Marktes, sondern auch eine Modifizierung des Kaufverhaltens: Junge Menschen charakterisieren sich durch deutlich sichtbare Konservativität und bevorzugen sichere Kaufentscheidungen. Dies impliziert die zunehmende Negierung von Extravaganz und Extremität – Eigenschaften, die jedoch für die Entwicklung von Innovationen und neuen Designs unabdingbar sind.[37] In einer Zeit, in der sich viele aneinander angleichen, ist die Lektion der Antwerp Six auch gegenwärtig von Belang: Sie führen die Wichtigkeit des Vertrauens in die eigenen kreativen Fähigkeiten und in die künstlerische Vision vor Augen. In einer Welt von Informationsüberfluss und reizüberflutendem Bildmaterial sind kritische Stimmen von unschätzbarem Wert. Visuelle Gestalter, die stets den Alltag ausgestalten und verändern, sind daher auch in Bezug auf nachhaltige Lebensweisen und Problemlösestrategien essenziell.

Viele kritische Stimmen Antwerpens verschrieben sich in den letzten Jahren daher zunehmend der Nachhaltigkeit: Der Designer Bruno Peters bringt das Grundanliegen von Bekleidungsmode auf den Punkt: „We believe fashion is about beauty and that the story behind fashion can be equally beautiful“.[38] Ehrliche Kleidung, saubere Marken und saubere Hände lautet heute die Devise.[39] Kleidungsstücke untermalen nicht nur die Persönlichkeit ihres Trägers, sie vermögen auch soziales Engagement zu demonstrieren. In diesem Sinne avancieren die Komplizen von Kunst und Mode zu bedeutsamen Aktivisten innerhalb der wohl wichtigsten Mission der Weltrettung. Kunst und nachhaltige Mode werden niemals die Welt retten, aber sie eröffnen uns neue Perspektiven auf eine differenzierte und kritische Weltwahrnehmung. So beschäftigt sich Katrien van Hecke beispielsweise mit natürlichen Färbemitteln für Textilien, wie Minze, Chili, Kurkuma, Eukalyptus und sogar Rost.[40] Viele Designer verwenden in diesem Zusammenhang organische Stoffe und besinnen sich erneut auf die alten Handwerkskünste des Webens, Filzens, Färbens etc. Die nach dem Textilen Plan gescheiterte Zusammenarbeit mit den Manufakturen soll nun verstärkt wieder aufgegriffen werden, um lange Transportwege zu vermeiden, lokale Produktionen zu unterstützen und somit sowohl Umwelt- als auch Personalressourcen zu schonen.[41]

 

6. Fashion Department der Royal Academy of Fine Arts Antwerp - Schluss

Das Fashion Department der Royal Academy of Fine Arts Antwerp wurde 1963 gegründet. Mary Prijot und Marthe Van Leemput führten die Schule in die Modeausbildung und generierten so zwei Meilensteine, die die Modegeschichte für immer verändern sollten: Die erste wichtige Zäsur markiert natürlich der Aufstieg der Antwerp Six + 1, durch den die Akademie ihr Ansehen weltweit steigerte. Schließlich resultierte die Kulmination von studentischem Talent und künstlerischer Vision, gepaart mit dem pädagogischen Ansatz des Fashion Departments, in dem Erfolg der Designer. Der zweite Meilenstein begann 1985 unter Linda Loppa, die das Fashion Department in eine neue Ära führte: Ihre Lehrmethoden fokussierten dabei maßgeblich die Entwicklung individueller Ausdrucksmöglichkeiten der Studierenden sowie internationale Orientierung. Experimentelle Bildung spielte dabei erstmals unter Linda Loppa eine zentrale Rolle. Heute ist Walter van Beirendonck als ihr Nachfolger für die Leitung des Fashion Departments der Akademie der schönen Künste verantwortlich.[42] In einem Interview mit Lut Klincke beschreibt er die Bausteine des Studiums an dem Fashion Department der Akademie und fasst dabei die Ziele des Curriculums zusammen:

During a four-year period, the students are monitored closely, receiving guidance from a different teacher each year, using a very open approach. This gives them the chance to develop their own style according to their own interests, background, and personality. They are constantly confronted with their own identity and are allowed to go to fairly serious extremes to shape that identity. The combination of professional expertise and a distinctive signature is the biggest trump card our students hold. The program has been perfected iteratively over the years. Standards were less demanding in the nineteen-eighties than they are now. (Beirendock zit. in CLINCKE)[43]

Die Ausbildung an der Akademie basiert dabei auf den fünf grundlegenden Komponenten des Körpers, des Experimentes, des Ortes, der Freiheit und des Individuums. Der Körper ist die Grundbedingung für die Existenz von Bekleidungsmode – ohne ihn gäbe es keine Mode, denn in ihrer Funktion bekleidet, wärmt, schützt und schmückt sie den Träger. Durch Methoden der Körperzeichnung finden Studenten zunächst einen Weg, den Körper in Zusammenhang mit seiner Umgebung zu denken. Das Resultat muss dabei stets eine gültige Modefunktion unter Beweis stellen, nicht aber zwangsweise einen Produktwert, woran sich ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Modeschulen, die stets kommerzielle Designs fokussieren, manifestiert. Die Lehrenden der Akademie stammen dabei aus differenzierten Modebereichen und bereiten die Studierenden auf verschiedene Aspekte der Branche vor.[44]

Den wertvollsten Teil der Ausbildung birgt dabei das Experiment, welches die Fähigkeit des unbegrenzten und experimentellen Arbeitens und Denkens impliziert. Dabei gilt es, kreative Grenzen stets zu erweitern und die Ideen, Imaginationen und Fähigkeiten zu maximieren. Der Wunsch wie auch der Mut in einer freien Denkweise ist schließlich in einer Welt des konstanten Wandels als wertvolle Fähigkeit zu betrachten.[45]

Was den Ort als Komponente der Lehrmethodik anbelangt, so befindet sich dieser, wie zu Beginn erwähnt, im künstlerisch-kulturellen Zentrum Südantwerpens, welches zahlreiche Kurations- und Inspirationsmöglichkeiten birgt, wie beispielsweise das ModeMuseum Antwerpen (MoMu), das Handelsmuseum oder das Royal Museum of Fine Arts. Das MoMu wurde 2002 mit dem Ziel der Sammlung, der Konservierung, der Ausstellung und des Studiums explizit belgischer Mode gegründet. Das Museum fokussiert dabei maßgeblich gegenwärtige belgische Mode und widmet sich vor allem den berühmten Modedesignern Antwerpens, die in den 80er und 90er Jahren zunehmend an Bekanntheit gewannen, wie Martin Margiela, Dries Van Noten, Ann Demeulemeester, Walter Van Beirendonck, Dirk Van Saene, A.F. Vandevorst etc. Die erste Direktorin des Museums war ebenfalls Linda Loppa. Anlässlich des 50. Geburtstages des Fashion Departments organisierte das MoMu vom 08.09.2013 bis zum 16.02.2014 eine Ausstellung mit dem Titel „Happy Birthday Dear Academie!“, die die Werke der berühmtesten Designer der Modeschule präsentierte. Darunter wurde ein Raum den „Antwerp 6+1“ gewidmet, in dem sich Studienarbeiten und frühe Werke zu Karrierebeginn der sieben Designer befanden. (vgl. Bild 4) Die Ausstellung wurde dabei sogar von Walter van Beirendonck persönlich, sowie von Kaat Debo, Karen Van Godtsenhoven und Geert Bruloot kuratiert.[46] Das MoMu zeichnet sich dabei durch erneuerte Themenausstellungen mit Modebezug aus, wobei der Ausstellungsraum stets mit den ausgestellten Exponaten korreliert und an diese angepasst wird.[47] Die immersive Szenografie ist dabei charakteristisch für die Ausstellungen, die den Rezipienten so in das Designgeschehen einspannen und dabei eine Kultivierung sowie Demokratisierung belgischer Mode mit der Absicht einer Zugangserleichterung bewirken.[48] Ziel des Modemuseums ist dabei, die Bedeutung des Terminus „Mode“ und das kanonisierte Narrativ, in das er eingebettet ist, zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Es ist ein Ort, in dem jeder die Mode für sich entdecken kann und sich ihrer Vergangenheit, ihrer Gegenwart und ihrer Einflüsse auf die Zukunft bewusstwerden kann. Das MoMu beherbergt dabei die umfangreichste Sammlung belgischer Mode weltweit und ist für seine immersiven Ausstellungen berühmt.[49]

Bild 4. Happy Birthday Dear Academie, Installationsansicht (© Boy Kortekaas, aus der Sammlung von MoMu - Fashion Museum Antwerpen. Antwerpen 2014).

Der weitere Aspekt der Freiheit in der Pädagogik der Akademie geht mit jenem des Experiments einher: Freies Denken und Experimentieren sind dabei essenziell. Der Fokus liegt nicht ausschließlich auf extensiven Materialstudien oder traditionellen Techniken, da diese lediglich als kreativitätsfördernde Instrumente zu betrachten sind, die die Entstehung von Innovationen begünstigen. Der Kreativität bedarf es demnach einer bestimmten Basis, aus der sich neue Ideen schöpfen lassen. Tradition, Handwerkskunst und Innovation bilden dabei essenzielle Schlüsselelemente. Das Curriculum bietet den Studierenden zahlreiche Möglichkeiten, bürdet diese aber nicht zwangsweise auf, um der Wahlfreiheit als Basis innovativer Kreativität gerecht zu werden. Die elementare Entwicklung der eigenen Handschrift eines Designers betont dabei die Wichtigkeit des Individuums innerhalb der Ausbildung an der Akademie. Diese individuelle Entfaltung basiert dabei auf Wahlfreiheit bezüglich des Handwerks, des Wissens und der Ergebnisqualität. Die Ausbildung beginnt mit der Wissens-, Persönlichkeits-, und Interessenenthüllung eines jeden einzelnen Studierenden als Basis, die der Stimulation der inneren Lebenswelt dient. Dies ist ein produktiver und intensiver Prozess konstanter Selbstreflexion, der nicht nur eigene Fähigkeiten elaboriert, sondern auch die Persönlichkeit stärkt.[50]

Das Lehrprogramm strebt demnach, mittels Aufwertung und Schärfung des Talentes sowie der künstlerischen Vision, die persönliche Entwicklung des individuellen Studenten an. Erworbene Grundfertigkeiten von Technik und Struktur in Bezug auf Modedesign sollen dabei zu der Entwicklung einer extremen Perspektive auf Mode beitragen und ein breites sowie internationales Publikum generieren.[51] Das vierjährige Curriculum an der Akademie bietet eine Ausbildung, in dessen Rahmen sich die Studenten selbst besser kennenlernen, was für viele eine Erfahrung mit problematischen Konfrontationen bedeutet. Für die Direktorin des Fashion Institute of Technology in New York, Valerie Steele, avancieren an dieser Schule Analyse und Introspektion vor einem Spiegel zu den Leitmotiven der Lehre:

At the Royal Academy, students are encouraged to look inward. Most fashion training encourages you to look outward. There, you are encouraged to go deeper and deeper into a subjective consciousness. […] In Antwerp, fashion is a private endeavour, much like writing. Outside influencers are internalized and eventually articulated in a profoundly personal voice.[52]

Nichtsdestotrotz gerieten die Lehrmethoden der Akademie in den letzten Jahren aufgrund von zu hohem und permanentem Leistungsdruck sowie eines unerwarteten Selbstmordes eines koreanischen Studenten mehrfach in Kritik.[53]

Heute ist die Akademie ein Schmelztiegel von mehr als 26 verschiedenen Nationalitäten. Aus diesem Grund erscheint es problematisch, weiterhin von flämischer oder belgischer Mode zu sprechen.[54] Die kommenden Generationen werden zwar nicht länger rein flämischer Herkunft sein, nichtsdestotrotz werden die Werte und die Lehrmethoden der Akademie, die zu der Rezeption der angehenden Designer; Kunstdirektoren, Stylisten etc. beitragen, als typisch flämisch oder belgisch empfunden (vgl. Bild 5). Das Schreiben über typisch belgische Mode erscheint demnach sowohl zu der Blütezeit der Antwerp Six als auch heute problematisch. Belgien und Antwerpen avancierten somit dank des Textilen Plans, der Royal Academy of Fine Arts Antwerp und den daraus resultierenden Antwerp Six zu symbolisch aufgeladenen Begriffen der Modewelt, die in Konkurrenz zu Frankreich, Italien und Amerika treten können.

Letztendlich verbannte der weltberühmte Mythos um die Antwerp Six die früheren Verschleierungsstrategien der belgischen Designer. Das charakteristisch Belgische entwickelte sich zu einem internationalen Label, welches von den aus der Akademie hervorgehenden Designern aus aller Welt mit Stolz zur Schau getragen wird. Die stetig wachsenden Herausforderungen an die Bekleidungsmode und die Textilindustrie in Bezug auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimawandel sowie Fairness verlangen nach einer neuen Avantgarde. Die Royal Academy of Fine Arts Antwerp vermag dieser neuen Generation den Weg zu ebnen.

Bild 5. Antwerp Fashion Department. Royal Academy of Fine Arts Antwerp (© MoMu - Fashion Museum Antwerp, 2021).

— Von Edina Kampmann, Universität Paderborn —

7. Anmerkungen

[1] BOGART, "The ‘Antwerp Six’", 1988

[2] GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 57

[3] DEBO, 6+ Antwerp fashion, S. 35

[4] MENTGES, "Urbane Landschaften im Modebild", S. 134

[5] DEBO, 6+ Antwerp fashion, S. 35

[6] TEUNISSEN, "Deconstructing Belgian and Dutch Fashion Dreams", S. 164

[7] ebd., S. 165

[8] ebd., S. 174

[9] Ravijst zit. in: DEBO, 6+ Antwerp fashion, 38

[10] GIMENO-MARTÍNEZ, "Restructuring Plans", S. 206

[11] ebd., S. 211

[12] ebd.

[13] GIMENO-MARTÍNEZ, "Fashion, Country and City", S. 64

[14] vgl. GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 57

[15] DEBO, 6+ Antwerp fashion, 38

[16] vgl. MOONS, To Be (In) or Notto Be (In), 70

[17] GIMENO-MARTÍNEZ, Fashion, Country and City: The Fashion Industry and the Construction of Collective Identities (1981–2001), 64

[18] WIENSOWSKI, "Die Avengers aus Antwerpen"

[19] Presseagentin der Antwerp Six Marysia Woroniecka zit. in: GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 57

[20] GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 57

[21] RABKIN, "The Fashion Trail"

[22] DEBO, 6+ Antwerp fashion, 39f.

[23] ebd., S. 40

[24] ROGERS, "How the Antwerp Six Achieved Fashion Infamy"

[25] Walter van Beirendonck im Interview mit Dominique Nzeyimana; vgl. MoMu 2021

[26] vgl. ROGERS, "How the Antwerp Six Achieved Fashion Infamy"

[27] Beirendonck 1987 zit. in: DEBO, 6+ Antwerp fashion, 67

[28] Bikkembergs 1987 zit. in: DEBO, 6+ Antwerp fashion, ebd.

[29] GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 58

[30] „Happy Birthday Dear Academie!“

[31] GODTSENHOVEN, "The Birth of Belgian Avantgarde-Fashion", S. 57

[32] ebd., S. 58

[33] ebd.

[34] ebd.

[35] ebd.

[36] CHITRAKORN, "Six Designer Re-Emerges in Tokyo"

[37] ROGERS, "How the Antwerp Six Achieved Fashion Infamy"

[38] Peters zit. in: DUJARDIN, "Slow Fashion", S. 225

[39] ebd.

[40] ebd.

[41] ebd.

[42] CLINCKE, "Belgian Fashion Studies", S. 95

[43] Beirendock zit. in CLINCKE, "Belgian Fashion Studies", S. 96

[44] vgl. Fashion Department Antwerpen, 2019

[45] ebd.

[46] „Happy Birthday Dear Academie!“

[47] ebd.

[48] ebd.

[49] ebd.

[50] ebd.

[51] vgl. DEBO, 6+ Antwerp fashion, S. 40

[52] Steele 2001 zit. in DEBO, 6+ Antwerp fashion, S. 42

[53] SHERMAN, "Antwerp Academy"

[54] ebd.

Bibliografie

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CHITRAKORN, Kati, „An Antwerp Six Designer Re-Emerges in Tokyo“, in: The Business of Fashion, 29.08.2018.

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