Brel, Jacques – belgischer Chansonnier
Jacques Romain Georges Brel wurde am 7.April im Jahre 1929 in Brüssel als Sohn eines Fabrikanten in einer katholisch-bürgerlichen Umgebung geboren. Die Beziehung zu seinem Vater war distanziert und kalt, während die zu seiner Mutter liebevoll war. Er wuchs nur mit seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Pierre auf, da seine älteren Geschwister schon vor seiner Geburt in einem jungen Alter gestorben sind.[1]
Schon früh widersetzte er sich gegenüber Autoritätspersonen und passte sich insbesondere seinem schulischen Umfeld nicht an.[2] Dies führte trotz seines künstlerisch-sprachlichen Talents zum Schulabbruch. Kurz darauf wird er in der Firma seines Vaters eingestellt. Dass er nicht passend für diese leitende Stelle ist, wird schnell deutlich, denn sein wahres Engagement wird der christlichen Organisation Franche Cordée gewidmet. In dieser Organisation finden Theater- und Gesangsauftritte regelmäßig statt. In Franche Cordée lernt er seine spätere Ehefrau Thérèse Michelsen kennen, die er 1950 heiratet. Seine Töchter Chantal, France und Isabel werden zwischen 1951 und 1958 geboren. Zu dieser Zeit singt er unter dem Künstlernamen Bérel und begleitet sich auf der Gitarre. Da die Radiomoderatorin Angèle Guller ihn in ihrer Sendung vorstellt, kann er 1953 seine erste Platte mit den zwei Chansons La foire und Il y a bei Philips aufnehmen. Jacques Canetti, ein künstlerischer Direktor, wird auf Brel aufmerksam. Daraufhin verlässt Brel seine bürgerlichen Verhältnisse und findet sich in den folgenden Jahren in mehreren Cabarets. Diese Entscheidung trägt unter anderem zu seiner persönlichen Ablehnung gegenüber der Bourgeoisie bei.[3]
Interessant ist, dass er mit verschiedenen Künstlern wie Guy Béart oder Phillipe Clay bekannt wird, die auch die Geschichte des Chansons geprägt haben. Im Jahre 1955 lernt er Georges Pasquier kennen. Ein Jahr später macht Brel die Bekanntschaft mit François Rauber, welcher zu seinem Pianisten wird. Rauber und Pasquier werden zu wichtigen Begleitern von Brel. 1958 kommt es zum Auftritt von Brel im Pariser Konzertsaal Olympia. Die Kritik ist größtenteils positiv und das darauffolgende Jahr wird er mit dem « Grand prix du disque » ausgezeichnet. In dieser Zeit führt Brel parallel verschiedene Liebesbeziehungen, unter denen besonders seine Töchter leiden. Der Kontakt zu seinen Töchtern war sporadisch und nahm mit zunehmendem Erfolg weiter ab. Ab 1961 werden die Pressestimmen aufgrund seiner starken szenischen Präsenz dominanter.[4] Grund hierfür könnten auch seine parallel laufenden Liebesbeziehungen sein, in denen es zu gebrochenenVersprechen und einem intriganten Verhalten seinerseits kam. Trotz seiner außerehelichen sexuellen Beziehungen war die Scheidung von seiner Ehefrau keine Option.[5]
Zudem kommt es zur Gründung seines eigenen Musikverlags Les Editions Pouchenel unter der Leitung seiner Frau. 1962 schlägt Brel mit 300 Konzerten in einem Jahr alle Auftrittsrekorde. Aufgrund seiner Welttourneen wurde er über den frankophonen Raum hinaus bekannt. Viele seiner Chansons wurden in verschiedenen Sprachen übersetzt. Zwei Jahre später entwickelt er ein Interesse für das Fliegen und Segeln. Im Jahre 1966 entscheidet er sich für einen endgültigen Rückzug von der Bühne, woraufhin er das letzte Konzert im Frühjahr 1967 gibt.[6] Kurz darauf widmet er sich seiner kinematographischen Karriere, zuerst noch als Schauspieler und dann als Regisseur hinter der Kamera. Er wirkte in zehn Filmen mit, von denen er in zweien Regie führte. Der Erfolg ist jedoch nicht ansatzweise mit dem seiner musikalischen Karriere zu vergleichen.[7]
1973 realisiert er seinen letzten Film. Nach seinem Auftrittsrekord entwickelt er ein Interesse für das Fliegen und Segeln, die seine Abenteuerlust nach seinem Abschied von der Bühne wecken. Nach seinem letzten Film fasst er kurz darauf den Entschluss, die Welt mit seiner letzten Geliebten Maddly Bamy zu umsegeln. Ein Jahr später kommt es zu einem körperlichen Zusammenbruch und zur Diagnose Lungenkrebs. Aus diesem Grund erfolgt ein chirurgischer Eingriff, er setzt zeitnah danach seine Weltumseglung fort. Sein fester Wohnsitz wird die Insel Hiva OA. Währenddessen schreibt er neue Chansons, die er 1977 in einem bereits körperlich schlechten Zustand, mit seinen Begleitern, Jouannest und Rauber, aufnimmt. Das aufgenommene Album wird im November 1977 veröffentlicht; ein Jahr später stirbt er am 7. Oktober 1978 an den Folgen seiner Krebserkrankung in Paris und wird auf dem Friedhof von Altuona beerdigt.[8]
Abb.: Jacques Brel in der Fernsehsendung Domino (1962) ©Jack de Nijs for Anefo, CC0, via Wikimedia Commons
Es kann gesagt werden, dass Brel zu den größten Interpreten des französischen Chansons gehört. Einige seiner bekanntesten Chansons sind Ne me quitte pas, Ces gens-là, Amsterdam, Les vieux amants oder La Valse à mille temps. Seine Liedtexte – darunter meist La colombe, Le plat pays oder Les prénoms de Paris[9] – werden des Öfteren im Schulunterricht analysiert und interpretiert.[10] Sie weisen auf ein hohes Identifikationspotential aufgrund der universellen Erfahrungen der Figuren in seinen Chansons. Es werden Themen wie Liebe, Freundschaft, Kindheit, Tod und Jugend behandelt. Seine Texte können eine Herausforderung aufgrund der fragmentarischen Aussagen des lyrischen Ichs darstellen, dennoch spiegelt dies die authentische Komponente seiner Chansons wider.[11] Außerdem sind viele Einrichtungen nach ihm benannt worden. Dies lässt erkennen, dass ihm Ansehen vom französischen und belgischen Staat zukommt.[12]
Schon während seiner Konzertauftritte zeigte Brel eine Leidenschaft für das Schauspiel. Der Grund hierfür ist seine expressive Präsentation seiner Chansons, die sich nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch darstellt.[13] Deswegen ist es nicht überraschend, dass nach seiner musikalischen Karriere eine kinematographische folgt. Außerdem finden sich die Chansons von Brel in seinen Filmen wieder. Ihnen wird eine neue Dimension hinzugefügt, da sie nun mit Bildern untermalt werden.
- von Vivean Alhisswani -
Dieser studentische Glossar-Eintrag ist im Rahmen des Romanistik-Seminars "Das BelgienNet III - das Filmland Belgien" im Wintersemester 2022/2023 entstanden. Hier finden Sie die französische Fassung des Glossar-Eintrags.
Anmerkungen:
[1] Vgl. TODD, Olivier, Jacques Brel Une Vie, Paris, 1987, 13.
[2] Vgl. ROSTECK, Jens, Der Mann, der eine Insel war, Hamburg, 2016, 19.
[3] Vgl. WEIß, Michaela, Das authentische Dreiminutenkunstwerk: Léo Ferré und Jacques Brel - Chanson zwischen Poesie und Engagement, Heidelberg, 2003.
[4] Vgl. ebd., 167.
[5] Vgl. ROSTECK, Der Mann, eine Insel, 15.
[6] Vgl. WEIß, Das authentische Dreiminutenkunstwerk, 167.
[7] Vgl. ROSTECK, Der Mann, eine Insel, 118.
[8] Vgl. WEIß, Das authentische Dreiminutenkunstwerk, 168.
[9] Vgl. WEICK, Thomas, Die Rezeption des Werkes von Jacques Brel, Frankfurt am Main, 1991, 275.
[10] Vgl. ROSTECK, Der Mann, eine Insel, 18.
[11] Vgl. WEIß, Das authentische Dreiminutenkunstwerk, 268.
[12] Vgl. ebd., 18.
[13] Vgl. ebd., 262.
Quellenverzeichnis
ROSTECK, Jens, Der Mann, der eine Insel war, Hamburg, 2016.
TODD, Olivier, Jacques Brel Une Vie, Paris, 1987.
WEICK, Thomas, Die Rezeption des Werkes von Jacques Brel, Frankfurt am Main, 1991.
WEIß, Michaela, Das authentische Dreiminutenkunstwerk: Léo Ferré und Jacques Brel - Chanson zwischen Poesie und Engagement, Heidelberg, 2003.