Die Dardenne-Brüder – belgische Regisseure
Leben
Die Brüder Dardenne, Jean-Pierre und Luc, sind zwei belgische Filmregisseure, Produzenten und Drehbuchautoren. Geboren am 21. April 1951 in Engis und am 10. März 1954 in Awirs, wachsen die beiden in einem Vorort von Liège auf. Dort sollen später auch viele ihrer Filme ihren Schauplatz haben. Nach dem Studium in Dramaturgie (Jean-Pierre) sowie in Philosophie und Soziologie (Luc) schließen sich die Brüder in den 1970ern zusammen, um zunächst Dokumentationen zu filmen.[1]
Auszeichnungen
Ausgehend von ihren Studiengängen, vereinen sie soziale und filmische Aspekte in ihren Werken und verleihen ihnen dadurch ihren Wiedererkennungswert. 1986 entsteht der erste Spielfilm, Falsch, der den Übergang von der Welt der Dokumentation zur Fiktion darstellt. Einige Jahre später, im Jahr 1994, gründen sie eine eigene Filmgesellschaft, „Les Films du Fleuve“, die ab La Promesse (1996) ihre Projekte finanzieren soll. Jener Film ist es auch, der ihnen den ersten Erfolg bringen soll. Globale Anerkennung erhalten die Brüder mit Rosetta im Jahr 1999, für den sie bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet werden. Es folgen weitere Preise für Le Fils (2002) und L’Enfant (2005); für den letzten erhalten die Dardenne Brüder eine zweite Goldene Palme, was sie in den kleinen Kreis der mehrfach mit einer Goldenen Palme ausgezeichneten Filmemacher eintreten lässt. 2008 erhält Le Silence de Lorna den Drehbuchpreis, Le Gamin au vélo 2011 den Großen Preis der Jury. Im Jahr 2019 werden die Brüder erneut nach Cannes eingeladen, wo sie mit Le Jeune Ahmed (2019) den Preis für die beste Regie erhalten.[2]
Abb.1: Die international bekannten belgischen Regisseure Luc (links) und Jean-Pierre Dardenne (rechts) (© Georges Biard, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Filmstil
Geprägt sind die Filme der Dardenne-Brüder vor allem durch eines: Die Nutzung der Schulterkamera, die sich ununterbrochen in Bewegung befindet und die Charaktere vor allem von hinten filmt. Es erinnert immer etwas an eine Dokumentation, wenn man die Filme der beiden schaut, und das ist gewollt: „Natürlich wollen wir immer in die Köpfe unserer Figuren hinein. Dort wären aber wohl nur Neuronen zu finden. Also betrachten wir eben ihre Gesichter – und ihre Körper“, erklärt Luc Dardenne in einem Interview.[3]
Ihre Filme behandeln verschiedenste soziale Themen, die Charaktere stammen aus der Mittelklasse oder darunter.[4] Mit Präzision und der Ästhetik einer Dokumentation verfolgt die Kamera die Hauptpersonen durch ihre Leben und kreiert dabei eine fort weg bestehende Distanz. Beim Zuschauen bleibt man stets außerhalb dessen, was in den Köpfen der Personen vorgeht. Dennoch bleibt eine gewisse Nähe vorhanden, durch die Art und Weise, wie die Kamera die Charaktere überall hinbegleitet bzw. -verfolgt. Das führt bei dem ein oder anderen mitunter zu Schwindel durch die sich ständig bewegende Kamera. Auf die Frage, was ihr Stil genau sei, antwortet Jean-Pierre passenderweise: „Die Leute krank zu machen“.[5] Tatsächlich sorgt die Kombination aus Nähe und der nie still stehenden Kamera für die ein oder andere Herausforderung beim Zuschauen. Fest steht aber, dass man aus den Filmen der Dardenne-Brüder stets etwas mitnehmen kann.
Ihr Credo: Hinhören, den Dingen auf den Grund gehen und die verborgenen Krankheiten diagnostizieren, die in einer Gesellschaft schwelen.[6]
- von Svenja Lensch -
Dieser studentische Glossar-Eintrag ist im Rahmen des Romanistik-Seminars "Das BelgienNet III - das Filmland Belgien" im Wintersemester 2022/2023 entstanden. Hier finden Sie die französische Fassung des Glossar-Eintrags.
Anmerkungen:
[1] Vgl. o. A., „Jean-Pierre et Luc Dardenne – Biographie“, in: Les Films du Fleuve, URL: https://lesfilmsdufleuve.be/les-freres-dardenne/, (12.02.2023)
[2] Vgl. ebd.
[3] KNOBEN, Martina, „Zu Besuch bei den Dardenne-Brüdern – Am Puls der Gegenwart“, in: Süddeutsche Zeitung (14.12.2016), URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/zu-besuch-bei-den-dardenne-bruedern-am-puls-der-gegenwart-1.3294179, (12.02.2023)
[4] Vgl., Bissière, Michèle, „De La Promesse (1996) à L’Enfant (2005): le cinéma éthique des frères Dardenne“, in: FIPF Fédération Internationale des Professeurs de Français (Hrsg.), La Francophonie en Europe : le cas de la Suisse romande et de la Communauté française de Belgique, Bruxelles, 2010, S. 108-116.
[5] MIDDING, Gerhard, „Dardenne-Brüder im Interview: Die Jugendlichen dürfen sich nicht entfremden“, in: SPIEGEL Kultur (24.11.2005), URL: https://www.spiegel.de/kultur/kino/dardenne-brueder-im-interview-die-jugendlichen-duerfen-sich-nicht-entfremden-a-386166.html, (12.02.2023)
[6] Vgl. KNOBEN, Am Puls der Gegenwart.
Quellenverzeichnis
Bissière, Michèle, „De La Promesse (1996) à L’Enfant (2005): le cinéma éthique des frères Dardenne“, in: FIPF Fédération Internationale des Professeurs de Français (Hrsg.), La Francophonie en Europe : le cas de la Suisse romande et de la Communauté française de Belgique, Bruxelles, 2010, S. 108-116.
KNOBEN, Martina, „Zu Besuch bei den Dardenne-Brüdern - Am Puls der Gegenwart“, in: Süddeutsche Zeitung (14.12.2016), URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/zu-besuch-bei-den-dardenne-bruedern-am-puls-der-gegenwart-1.3294179, (12.02.2023).
MIDDING, Gerhard, „Dardenne-Brüder im Interview: Die Jugendlichen dürfen sich nicht entfremden“, in: SPIEGEL Kultur (24.11.2005), URL: https://www.spiegel.de/kultur/kino/dardenne-brueder-im-interview-die-jugendlichen-duerfen-sich-nicht-entfremden-a-386166.html, (12.02.2023).
O.A., „Jean-Pierre et Luc Dardenne – Biographie“, in: Les Films du Fleuve, URL: https://lesfilmsdufleuve.be/les-freres-dardenne/, (12.02.2023).