Der Fall Belgien: Mehrsprachiger Kontext und Literaturen (1830 bis heute)

- von Anja van de Pol-Tegge, VUB/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf -

 

Abstract

Das klassische Modell der Nationalliteratur – definiert durch die Korrelation von Territorium und Sprache – negiert Mehrsprachigkeit allgemein als zentrale Besonderheit der nationalen literarischen Produktion und stößt damit im Falle der vielsprachigen Situation in Belgien an seine Grenzen. In diesem Aufsatz wird daher einem pluralistischen Ansatz folgend die Herausbildung „belgischer Literaturen“ in französischer bzw. niederländischer Sprache anhand der Dynamik der sprachkulturellen und politischen Diskurse in Belgien von der Staatsgründung 1830 bis heute nachvollzogen. Es wird auf diese Weise der Wandel von einer ursprünglich nationalistisch-unitaristischen Literaturauffassung in Belgien zu einer regional orientierten, d.h. an Sprach- und Kulturgemeinschaften gebundenen Ausrichtung von Literatur dargestellt.

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Inhaltsverzeichnis:

  1. Einführung
  2. Belgien: Nation und Sprachen
  3. Entwicklung belgischer Literatur
  4. Einsprachigkeit und Entgrenzung
  5. Anmerkungen
  6. Verwendete Literatur

 

I. Einführung

Ihr habt ein merkwürdiges Talent, aber was Euch fehlt, ist Dramatik, und zugleich sprecht Ihr Belgisch, so daß Euer Pathos einer fiebrigen Wirrsprache gleicht. Merci für das Interesse, dachte Reinaert, der sich nicht aufregte… (aus Louis Paul Boon, De Kapellekensbaan, 1953)[1]

Anhand des obigen Zitats, das in ironischer Weise auf die Schwierigkeit einer Dichtkunst in belgischer Sprache anspielt, wird sehr gut deutlich, dass die überkommene Vorstellung einer einsprachigen Literaturgeschichtsschreibung mit Blick auf den mehrsprachigen belgischen Kontext zu kurz greift. So suchen wir etwa auf Buchmessen vergeblich nach „belgischer Literatur“ und finden stattdessen „französische Literatur“ bzw. „niederländische Literatur“, in der belgische Autor*innen aufgehen in Abhängigkeit von der Sprache, in der ihre Werke verfasst sind. Hier zeigt sich, dass das klassische Modell der Nationalliteratur – definiert durch die Korrelation von Territorium und Sprache – Vielsprachigkeit als zentrale Besonderheit der nationalen literarischen Produktion grundsätzlich negiert. Dennoch präsentieren mehrsprachige Länder wie die Schweiz und Kanada ihre Literatur auf Buchmessen auch mit Länderauftritten.[2] Hingegen tritt Belgien als nationaler mehrsprachiger Raum der literarischen Produktion auf dem internationalen Buchmarkt in der Regel nicht in Erscheinung. Entsprechend stellt sich die Frage nach den spezifischen Rahmenbedingungen für die literarische Entwicklung in Belgien und daraus resultierenden Vermittlungsmodellen.

In diesem Aufsatz wird daher einem pluralistischen Ansatz folgend die Herausbildung belgischer Literaturen in französischer bzw. niederländischer Sprache anhand der Dynamik der sprachkulturellen und politischen Diskurse in Belgien von der Staatsgründung 1830 bis heute nachvollzogen.[3] Es wird auf diese Weise der Wandel von einer ursprünglich nationalistisch-unitaristischen Literaturauffassung in Belgien zu einer regional orientierten, d.h. an Sprach- und Kulturgemeinschaften gebundenen Ausrichtung von Literatur dargestellt. Dieser Prozess im Zuge der Ausbildung einer föderalistischen belgischen Staatsstruktur wird ebenfalls anhand eines kurzen Überblicks der institutionellen Rahmenbedingungen für die Produktion, Distribution und Rezeption belgischer Literaturen beschrieben.[4] Waren entsprechende Institutionen zunächst nur auf nationaler Ebene angesiedelt, erfolgte hier eine Aufspaltung anhand der Sprache und wurden schließlich Zuständigkeiten immer mehr von nationaler auf regionale Ebene verlagert. Anhand dieser Weichenstellungen für die kulturelle Ausrichtung in Belgien lässt sich insbesondere auch eine Wandlung des Begriffs des „Flämischen“ nachverfolgen, der sich von einer Einbettung in eine unitaristische belgische Kulturauffassung bei Staatsgründung 1830 hin zu einer heute gültigen engen föderativen Konzeption mit entsprechenden Auswirkungen auf belgische Literaturen entwickelte.

 

II. Belgien: Nation und Sprachen

Das 1830 entstandene Königreich Belgien verfügte von Anfang an nicht über eine einheitliche Nationalsprache. Im Wesentlichen gab es eine niederländische Sprachgruppe in der nördlichen und eine französische Sprachgruppe in der südlichen Hälfte des Landes. Unmittelbar nach der Herauslösung aus dem Vereinigten Königreich der Niederlande setzte sich in Belgien Französisch als Sprache der Justiz, Verwaltung und Bildung durch. Insbesondere hielten auch die höheren flämischen Sozialschichten in Belgien am Französischen fest: Als Teil des belgischen Bürgertums hatten sie wesentlich zur Revolte beigetragen, Französisch als einheitliche Kultursprache diente der Abgrenzung eines unabhängigen Belgiens zu den Niederlanden.[5] Die ursprünglich flämische Stadt Brüssel wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend französisiert.[6] Im Norden Belgiens bestand zudem eine extreme sprachliche Diskrepanz zwischen dem einfachen Volk, das flämische, brabantische und limburgische Dialekte sprach, und der flämischen Aristokratie bzw. Bourgeoisie, die französischsprachig war. Höhere Schulbildung und Studium standen ebenfalls nur in französischer Sprache zur Verfügung. Entsprechend war es Flamen ausschließlich in französischer Sprache möglich, sich in die belgische Politik und Kultur einzubringen. Ausgehend hiervon entstand sogar eine „idéologie unitariste“ in Bezug auf die belgische Nation und eine einheitliche kulturelle Ausrichtung, die lange Zeit über Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden Belgiens hinwegtäuschte.[7] Neben den sprachlichen Diskrepanzen sind hier als Merkmale gegensätzliche Strukturen zu nennen, die sich u.a. in einem industrialisierten und urbanen Süden gegenüber einem ländlich und katholisch geprägten Norden äußerten.[8] Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Flämische Bewegung, die ursprünglich kulturell ausgerichtet war und primär die Standardisierung des Niederländischen in Belgien vorantrieb; die Verabschiedung des sogenannten „Gleichheitsgesetzes“ von 1898, womit das Niederländische neben dem Französischen offizielle Amtssprache Belgiens wurde, stellte für die Bewegung jedoch einen wesentlichen politischen Erfolg dar.[9]

 

III. Entwicklung belgischer Literaturen

Tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen wurden in Belgien vor allem durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1919 sowie durch die umfassenden Streiks 1960 als Symbol für den einsetzenden wirtschaftlichen Abstieg der Wallonie in Gang gesetzt. Diese Ereignisse sollen im Folgenden daher als Markierungspunkte für verschiedene Entwicklungsabschnitte belgischer Literaturen – sowohl in französischer als auch in niederländischer Sprache – herangezogen werden.[10]

Die Phase von 1830-1920 war gekennzeichnet durch ein zweisprachiges Flandern (Französisch wurde von den Eliten gesprochen bzw. Niederländisch von den unteren Sozialschichten), eine vollständige Einheit auf institutioneller Ebene und vor allem eine „bourgeoisie trans-ethnique“,[11] die sowohl aus der wallonischen als auch der flämischen Bevölkerung gespeist wurde und innerhalb derer sich die nationale literarische Schöpfung Belgiens im 19. Jahrhundert in französischer Sprache entfaltete. Vor dem Hintergrund einer von den herrschenden Klassen angestrebten nationalen Homogenität war die frankophone Literatur Belgiens dieser Zeit also nicht rein französisch geprägt, sondern erhielt seine Originalität vor allem durch die flämische Bourgeoisie, die sich in französischer Sprache in die belgische Literatur einbrachte und sich auf diese Weise emanzipierte. Als richtungsweisendes Werk ist hier La Légende d’Ulenspiegel (1867) von Charles De Coster zu nennen, das sich sowohl thematisch als auch stilistisch stark von der französischen Norm absetzt; der Autor hantiert zwar einen vollkommen korrekten Sprachgebrauch, webt durch die Thematik germanischen Ursprungs jedoch Elemente („épiques, historiques, picaresques, ésotériques, légendaires ou fantastiques“) in die Erzählung ein, die auf herausfordernde Weise gegen Konventionen der französischen Literatur verstoßen.[12] De Costers Werk ist damit als erster „frankophoner“ Roman überhaupt zu werten, d.h. als das erste bedeutende literarische Werk französischer Sprache, das in einem Land außerhalb Frankreichs entstanden und deshalb nicht ausschließlich französisch geprägt ist.[13]

Auf der Grundlage dieser Entwicklungen entstand der vom belgischen Schriftsteller Edmond Picard 1897 geprägte Mythos der „âme belge“, der die gegenseitige Befruchtung germanischer und romanischer Kultur preist.[14] Die flämische Komponente stellte somit also einen essentiellen Teil der „littérature belge“ dar, wobei der Einfluss Frankreichs, obwohl man sich ausschließlich der französischen Sprache bediente, im Interesse einer eigenständigen nationalen Literatur sogar abgelehnt wurde; hieraus resultierte eine Verehrung der deutschen Romantik und die Übernahme „germanischer“ literarischer Techniken.[15] Die so entstandene „vision nordique“, die für die frankophone belgische Literatur bis Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Gültigkeit behielt, konnte auf die einfache Formel „nordicité + langue française“ gebracht werden; hierbei war es gerade die Spaltung der flämischen Bevölkerung durch die Sprachen, die diesem Mythos seine Gültigkeit verlieh und der belgischen Literatur in Frankreich Gehör verschaffte.[16] Die Anerkennung der frankophonen belgischen Literatur beschränkte sich jedoch nicht nur auf den von Paris dominierten französischsprachigen Raum. Auch international erfuhren die belgischen Symbolisten Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Maurice Maeterlinck einen Durchbruch.

Die flämisch geprägte frankophone Literatur Belgiens zeichnete sich gegenüber der französischen Literatur weitgehend durch spezifisch belgische und in sich konsistente thematische Elemente aus, wie „Themen der Natur (die Feuchtigkeit, die Ebene, der Nebel, das Meer...), Themen der Geschichte und Architektur (die Beginenhöfe, die Glockentürme, die Häfen, die Handelsstädte...), Themen der Moral“[17]. Daneben war in der frankophonen belgischen Literatur ein spezifischer Schreibstil zu erkennen, wodurch sich die belgischen Autor*innen eindeutig von den Autor*innen Frankreichs unterscheiden ließen. Klinkenberg führt dieses soziolinguistische Phänomen auf die marginale Position der frankophonen belgischen Literatur in Bezug auf die französische zurück.[18] Diese Randstellung führte zu einer gewissen Unsicherheit der frankophonen belgischen Autor*innen im Umgang mit der gänzlich von Paris bestimmten französischen Sprache, die sie zwar nicht als fremd erfuhren, mit der sie sich aber in einem anderen – nämlich belgischen und nicht französischen ‒ Kontext auseinandersetzen mussten als die Autor*innen Frankreichs, was sich vor allem in einer Tendenz zur Hyperkorrektheit der Sprache äußerte. Klinkenberg spricht in diesem Zusammenhang insgesamt von einer „stylistique tourmentée“, die er als eine Art Erbgut aus den vorangegangenen Phasen des „écrivain belge“ betrachtet und nennt als weitere Merkmale u.a. Archaismen und Neologismen frankophoner belgischer Autor*innen.[19]

Parallel zur frankophonen belgischen Literatur entstand ab 1830 auch eine flämische (d.h. niederländischsprachige) belgische Literatur, die anfangs ebenfalls belgisch-national orientiert war und zum Ziel hatte, zu einer spezifischen belgischen kulturellen Homogenität und Identität beizutragen.[20] Da sich die Eliten des jungen belgischen Staates ausschließlich in französischer Sprache in das Kulturgeschehen einbrachten, entwickelte sich die niederländischsprachige Literatur Belgiens gezwungenermaßen vor allem im niederen Bürgertum und fand auch hier zum größten Teil seine Leserschaft, während höhere soziale Klassen Flanderns nahezu ausschließlich der französischsprachigen Literatur aus Brüssel und dem dominanten Paris zugewandt waren.[21] Einzelne niederländischsprachige Werke von bedeutenden flämischen Autoren wie beispielsweise De leeuw van Vlaenderen (1838) von Hendrik Conscience wurden jedoch auch ins Französische übersetzt, sodass sie auch die höheren sozialen Klassen erreichten.[22]

Merkmale der flämischen belgischen Literatur sind ab 1840 im Einklang mit der entstehenden Flämischen Bewegung eine ausgeprägte ablehnende Haltung gegenüber der französischen Literatur, die teilweise als unmoralisch empfunden wird, und eine Hinwendung zur deutschen Literatur.[23] Ziel der idealistisch gesinnten flämischen Autor*innen war es, im Namen des Volkes eine gemeinsame und an den Werten der deutschen Romantik orientierte Identität zu entwerfen unter Betonung von Unabhängigkeit und ehrenhafter Vergangenheit.[24] Bemerkenswert ist, dass in dieser Phase nicht nur das Französische als eine von außen aufgestülpte und fremde Sprache abgelehnt wurde, sondern auch das Niederländische, wie es sich losgelöst von Flandern in den bis dahin bereits seit Jahrhunderten unabhängigen Niederlanden als Standardsprache entwickelt hatte.[25] Die flämische Kulturbewegung griff ab 1840 also immer mehr auf die traditionellen Werte einer Kulturnation zurück, was sich nicht nur in einer Rückbesinnung auf ursprüngliche Sprache und Gebräuche ausdrückte, sondern insbesondere auch in einer konservativen und anti-modernen Haltung der flämischen Literatur.[26] Diese Entwicklung stand ganz im Gegensatz zur Ausrichtung der frankophonen belgischen Literatur, die Französisch als Sprache der Aufklärung mit einem progressiven Charakter begriff.

Da die flämisch-nationale Ästhetik eine traditionelle Religiosität verherrlichte, erhielt sie auch Unterstützung durch die katholische Kirche, die im 1830 gegründeten Belgien eine zentrale Stellung einnahm. Um 1860 setzte der katholische Priester und Dichter Guido Gezelle eine zugleich christliche und flämische literarische Bewegung in Gang, die vollständig traditionell geprägt war. Aus Sicht Gezelles waren die flämische Nation und der katholische Glaube untrennbar miteinander verbunden. Hierbei war auch Gezelle entschiedener Gegner des aus seiner Sicht protestantisch ausgerichteten Standard-Niederländischen und erklärter Verfechter des „Diets“, das vor der Unabhängigkeit der Niederlande gemeinsam von Flamen, Brabantern und Limburgern als ursprüngliche und „von Gott geschenkte Volkssprache“[27] gesprochen wurde.[28]

Insgesamt betrachtet bildete sich die flämische Literatur jedoch erst ab 1890 zu einer sprachlich überzeugenden sowie kritisch reflektierenden Kunst aus, die bis in die Gegenwart hinein ihre Anziehungskraft behalten konnte.[29] Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist in der Einrichtung der „Koninklijke Vlaamsche Academie voor Taal- en Letterkunde“ im Jahre 1886 zu sehen. Die Gründung dieser Institution erfolgte vor allem mit dem Ziel, die Literatur in der Sprache des Volkes („volkstaal“) zu fördern.[30] Die Entfaltung der flämischen Literatur gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die mit einer modernen Ausrichtung im Rahmen von Realismus und Naturalismus einherging, wurde jedoch erst dadurch möglich, dass sich die Autoren von den engen didaktischen Vorgaben der Flämischen Bewegung zunehmend lösten.[31] Die Gründe, weshalb sich die flämische Literatur nicht schon viel früher voll entfalten und herausbilden konnte, sieht Walter Gobbers eindeutig in der tiefgreifenden politischen und sozialen Benachteiligung der flämischen Bevölkerung, die vor allem in der Unterdrückung des Flämischen durch das Französische ihren Ausdruck fand; dies hatte innerhalb der flämischen Bevölkerung beispielsweise zu großen Teilen eine intellektuelle Unmündigkeit und hohe Analphabetenrate zur Folge.[32] Zudem verlor die flämische Literatur durch die Französisierung des gehobenen flämischen Bürgertums auch in erheblichem Maße an Autor*innen, wodurch das Potenzial der flämischen Literatur nachhaltig geschwächt wurde. Dennoch kann man davon ausgehen, dass zwischen dem frankophonen und flämischen Literaturnetz in Flandern zahlreiche Kontakte bestanden und somit ein erheblicher gegenseitiger Austausch stattfand,[33] sodass die flämische Literatur dieser Zeit als ein Teil der belgischen Literatur gesehen werden muss.

Für die Phase von 1920-1960 bedeutete die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in Belgien im Jahre 1919 eine Infragestellung des von den höheren Klassen getragenen unitären Gedankens und der bis dahin von den frankophonen Autor*innen angestrebten kulturellen Synthese.[34] Innerhalb der flämischen Bourgeoisie erfolgte nun eine Rückbesinnung auf die eigene Sprache, dem Flämischen bzw. Niederländischen, wodurch eine Neuausrichtung flämischer Autor*innen erfolgte. Zusätzlich eröffnete die erstarkte Stellung des Niederländischen auch für Mitglieder der unteren sozialen Schichten neue Möglichkeiten, sodass insgesamt eine größere Produktion von belgischer Literatur in niederländischer Sprache erfolgte zu Lasten der belgischen Literatur in französischer Sprache. Die Gründung der „Académie royale de langue et de littérature françaises de Belgique“ im Jahre 1920 ist als Reaktion hierauf zu verstehen, da die Notwendigkeit entstand, die Bedeutung der französischen Sprache für Belgien und die belgische Literatur herauszustellen. Das flämische Element, das bis dahin fester und bestimmender Bestandteil der französischsprachigen belgischen Literatur gewesen war und somit für ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der französischsprachigen Literatur gesorgt hatte, entfiel hier nun, was zu einer erheblichen Schwächung der frankophonen belgischen Literatur in ihrer Position gegenüber den Instanzen in Paris führte.[35]

Obwohl das Ansehen Belgiens in der Welt nach dem Ersten Weltkrieg enorm gestiegen war und sich die belgische Literatur auf dem Höhepunkt ihres internationalen Renommees befand, führten die gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb Belgiens paradoxerweise also zu einer Auflösung des unitaristischen Belgiens.[36] Die französischsprachigen Autor*innen Belgiens sahen sich durch den Wegfall des „mythe nordique“ als Alleinstellungsmerkmal gezwungen, ihren Anspruch auf einen literarischen Sonderstatus aufzugeben und sich als „littérature mineure“ dem von Paris dominierten Literatursystem allgemein unterzuordnen unter weitgehender Verleugnung der eigenen belgischen Wurzeln.[37] Bereits mit dem „Manifeste du Groupe du Lundi“ von 1937 erfolgte eine neue Ausrichtung der frankophonen belgischen Literatur an den Normen der französischen Literatur und zog zwischen den Weltkriegen zunächst parallele literarische Entwicklungen in Frankreich und Belgien nach sich wie beispielsweise den Surrealismus.[38] Durch den Zweiten Weltkrieg kam es jedoch zu einer nachhaltigen Unterbrechung der Kontakte zu dem von Paris bestimmten Literaturbetrieb. So gab es beispielsweise im frankophonen Belgien keine Repräsentanten des Existenzialismus oder des Nouveau Roman, was vor allem auf eine Spaltung Belgiens in einen germanischen Nord- und einen romanischen Südteil während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg und die hierdurch bedingte Unterbindung eines Austausches mit Frankreich zurückzuführen ist:[39]

[…] während die Wallonen überwiegend Gefangene Deutschlands blieben, wurden der flämischen Bevölkerung, dem germanischen „Brudervolk“, weniger strenge Bedingungen zugestanden; diese Ungleichbehandlung entspricht auch unterschiedlichen Verhaltensweisen in Bezug auf die Kollaboration: In der Wallonie war diese weniger ausgeprägt und eher opportunistischer Natur, während sie in Flandern von Bedeutung und eher ideologischer Natur war, da sich die flämischen Aktivisten zumeist mit dem Besatzer verbündet hatten.[40]

Diese Umstände erklären, weshalb die frankophone belgische Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg kaum sichtbar war und sich keine neue Generation von Autor*innen herausbilden konnte; maßgebliche Autor*innen dieser Zeit, wie Franz Hellens oder Marcel Thiry, dominierten bereits vor dem Krieg die frankophone belgische Literaturszene und standen in Übereinstimmung mit Paris vor allem für einen neoklassizistischen Stil, der ab den 50er-Jahren vorherrschend wurde.[41] Daneben konnte sich in Belgien nach dem Krieg der Surrealismus als „post-surréalisme“ behaupten.[42]

In Flandern richtete sich die Literatur in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen immer mehr an der niederländischen Standardsprache aus. Zwar waren nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Flandern und den Niederlanden auf dem Gebiet der Literatur zunächst kaum Kontakte vorhanden ‒ das Verhältnis zueinander war durch Kollaboration und Repression während des Krieges in erheblichem Maße gestört[43] ‒ dennoch wurde man in den Niederlanden auf eine neu entstandene flämische Generation vielversprechender Prosaautor*innen aufmerksam; Louis Paul Boons sowohl inhaltlich als auch stilistisch aufsehenerregender Roman De Kapellekensbaan von 1953 wird in diesem Zusammenhang als ein maßgebliches Werk der flämischen Literatur betrachtet. Insgesamt entstanden viele Übereinstimmungen zwischen der Prosa Flanderns und der der Niederlande, jedoch ergaben sich vor allem Unterschiede in der Verarbeitung des Zweiten Weltkriegs; so stellte der Holocaust ein zentrales Thema der niederländischen Nachkriegsliteratur dar, während dieses Thema in Flandern kaum eine Rolle spielte.[44] Mit dem Erscheinen der literarischen Avantgarde-Zeitschrift „Tijd en Mens“ von 1949 bis 1955 wurde ebenfalls eine entscheidende Erneuerung der flämischen Literatur in Gang gesetzt, wobei vor allem Hugo Claus sowohl als Redakteur als auch als Autor nachhaltige Akzente setzte.

Die Phase ab 1960 wird durch die „grandes grèves“ und den einsetzenden wirtschaftlichen Niedergang der Wallonie markiert. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse wurde auch die institutionelle Krise in Belgien beschleunigt und eine Reihe von Staatsreformen zur Herausbildung föderaler Strukturen in Gang gesetzt, die schließlich eine formale, das heißt an Kulturgemeinschaften und Regionen orientierte Aufgabenverteilung in Belgien zur Folge hatte und sich auf die Formel „Flandres vs Wallonie + Bruxelles“ bringen lässt.[45] Nach der Festlegung der Sprachgrenze 1962 wurden im Rahmen weiterer föderaler Entwicklungen in Belgien zunächst Sprachgemeinschaften gebildet (eine niederländischsprachige, eine französischsprachige – später „Fédération Wallonie-Bruxelles“[46] genannt – sowie eine deutschsprachige), die jeweils für Kultur und Bildung zuständig sind. Im Anschluss entstanden die drei politischen Regionen Flandern, Wallonie und Brüssel. Mit der seit 1970 einsetzenden Reform der belgischen Verfassung wurde auch die Aufsicht über die ursprünglich einem nationalen Ministerium unterstellten Akademien an die jeweiligen Sprachgemeinschaften übertragen.

Einen Meilenstein für die niederländische Sprache und niederländischsprachige Literatur in Belgien stellt die Gründung der „Nederlandse Taalunie“ im Jahre 1980 dar. Die Einrichtung dieser länderübergreifenden flämisch-niederländischen Institution mit Sitz in Den Haag wurde erst mit der föderalen Ausgestaltung eines flämischen Teilstaats im Rahmen mehrerer belgischer Staatsreformen überhaupt möglich. Durch die grenzüberschreitende Institutionalisierung der „Nederlandse Taalunie“ konnte das langanhaltende Problem der Sprachstandardisierung in Flandern endgültig gelöst werden.[47] Ebenfalls ist auf diese Weise das Vermittlungsmodell der „niederländischen Literatur“ entstanden zur gemeinsamen Vermarktung der Literatur des niederländischen Sprachgebiets. So waren Flandern und die Niederlande 1993 und 2016 gemeinsam Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Mit der Einrichtung des „Vlaams Fonds voor de Letteren“ im Jahre 2000 (2019 umbenannt in „Literatuur Vlaanderen“) erfolgte eine massive Unterstützung der Produktion, Distribution und Rezeption flämischer Literatur durch Subventionen und Stipendien.

Hinsichtlich der französischen Sprache und Literatur besteht keine formalisierte staatlich-institutionelle Zusammenarbeit der „Fédération Wallonie-Bruxelles“ mit Frankreich, sodass die frankophone belgische Literatur hier im Wesentlichen der Sprach- und Kulturpolitik Frankreichs unterliegt. Bereits mit dem oben erwähnten „Manifeste du Groupe du Lundi“ wurde eine Entscheidung frankophoner belgischer Autor*innen für ein Vermittlungsmodell der „französischen Literatur“ getroffen mit dem Ziel, sozusagen im Kielwasser der Literatur Frankreichs der eigenen Literatur mehr Präsenz zu verschaffen. So war Frankreich beispielsweise 2017 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse und auch die „Fédération Wallonie-Bruxelles“ u.a. mit Partnern aus der Schweiz und Luxemburg im Gastpavillon präsent, doch wurde der internationale Vermarktungsauftritt eindeutig durch Frankreich dominiert.[48] Gleichwohl bietet die „Direction des Lettres du Ministère de la Fédération Wallonie-Bruxelles“ Autor*innen und Verlagen die Möglichkeit finanzieller Zuwendungen, wodurch insgesamt die Produktion, Distribution und Rezeption frankophoner belgischer Literatur gefördert wird.

Während in Flandern die Sprache Niederländisch entscheidender identitätsstiftender Faktor ist, stellt sich für die Frankophonen in Belgien die identitäre Problematik gänzlich anders dar; die Wallonie muss sich auf Basis einer erheblich geschwundenen politischen und ökonomischen Bedeutung neu definieren, wobei die gemeinsame Sprache jedoch nicht über strukturell bedingte Interessenskonflikte mit dem offiziell zweisprachigen, jedoch größtenteils französischsprachigen Brüssel hinwegtäuschen kann.[49] Vor diesem Hintergrund beschreibt Jean C. Baudet die so entstandene Zweiteilung Belgiens wie folgt:

Das kulturelle Leben ist zunehmend zweigeteilt. Es muss gesagt werden, dass von nun an, und jedes Jahr ein wenig mehr, in Belgien „belgisch“ für „nicht-flämisch“ steht. Die Flamen bilden eine „Nation“ oder sind dabei, eine solche zu bilden. Die frankophonen Belgier müssen sich immer noch finden.[50]

In Anbetracht dieser kulturellen Teilung Belgiens auf allen Ebenen der Gesellschaft, die seit den 1980er-Jahren auch institutionell umfassend ihren Niederschlag findet, erscheint es sinnvoll, von „littératures en Belgique“ oder belgischen Literaturen zu sprechen.[51] Einerseits hat sich innerhalb der niederländischen Sprachgemeinschaft Belgiens eine eigenständige flämische Literatur herausgebildet, die bewusst die Bezeichnung „belgisch“ meidet; andererseits wird innerhalb der französischen Sprachgemeinschaft Belgiens eine frankophone Literatur erzeugt, aus der sich das einst vorhandene flämische Element nahezu vollständig herausgelöst hat. Die früher bestehende Interdependenz zwischen frankophoner und flämischer belgischer Literatur ist inzwischen ebenfalls weitestgehend verlorengegangen. Aus heutiger Sicht kann daher folgende Gleichung aufgestellt werden: „littérature belge = littérature non-flamande“ = littérature francophone:

Seit langem schon definiert sich unsere frankophone Literatur systematisch als ‚belgisch‘. Sowohl die Literaturkritik als auch die Literaturwissenschaften haben sie als ‚frankophone Literatur Belgiens‘, ‚belgische Literatur französischer Sprache‘ oder heutzutage einfach als ‚littérature belge‘ bezeichnet. Die Niederländischsprachigen hingegen sind weniger geneigt, den Begriff ‚belge - belgisch‘ zu verwenden und bevorzugen den Ausdruck ‚Vlaamse literatuur - flämische Literatur‘.[52]

Dennoch ist deutlich geworden, dass sowohl die frankophone als auch die flämische belgische Literatur aus einer gemeinsamen literarischen Basis hervorgehen. Baudet spricht in diesem Zusammenhang allgemein von einer „pensée belge“, die er als gemeinsame Essenz der inzwischen autonomen flämischen bzw. frankophonen Kultur begreift.[53] So geht Baudet sogar so weit, die französische Übersetzung des 1983 erschienenen Romans Het verdriet van België von Hugo Claus den „lettres belges en français“ zuzuordnen.[54] Somit können sich auch frankophone Belgier mit dem Werk von Claus identifizieren, während sich bei nachfolgenden Generationen von Autor*innen immer mehr eine getrennte Wahrnehmung von flämischer bzw. frankophoner belgischer Literatur abzeichnet.

 

IV. Einsprachigkeit und Entgrenzung

Der Sprachpolitik Flanderns entsprechend hat sich inzwischen eine um französische bzw. frankophone Elemente im Wesentlichen bereinigte „flämische Literatur“ herausgebildet, die zudem mit der verfassungsrechtlich etablierten „Vlaamse Gemeenschap“ in Deckungsgleichheit gebracht werden kann. So wird der Begriff der „flämischen Literatur“ inzwischen als Synonym für „niederländischsprachige belgische Literatur“ verwendet und findet mit „Literatuur Vlaanderen“ auch seine institutionelle Entsprechung. Gleichwohl muss die zum Teil undifferenzierte nachträgliche Zuordnung niederländischsprachiger belgischer Autor*innen früherer Generationen wie etwa Hugo Claus zur regionalen Kategorie der „flämischen Autor*innen“ mitunter als „acte d’appropriation“ verstanden werden.[55] Des Weiteren führt eine seit Mitte der 1960er-Jahre bestehende asymmetrische Struktur der niederländisch-flämischen Verlagslandschaft dazu, dass Autor*innen flämischer Literatur zum Teil einer niederländischen Perspektive unterliegen.[56]

Hinsichtlich der frankophonen Literatur Belgiens ist festzustellen, dass diese sich bis heute nicht zu einer einheitlichen identitätsstiftenden Literatur herausbilden konnte. Die Regionen „Wallonie“ und „Bruxelles“ begründen zwar eine französische Sprachgemeinschaft, nehmen diese jedoch nicht als homogene Entität wahr. Die verfassungsrechtlich verankerte „Communauté française“ bildet mit ihrer Selbstbezeichnung „Fédération Wallonie-Bruxelles“ diese kulturelle Differenzierung gleichfalls ab. Zudem erfolgt die Legitimation belgischer Autor*innen überwiegend aus einer französischen Perspektive aufgrund der ausgeprägten Dominanz Pariser Verlage.[57]

Insgesamt spiegelt die Entwicklung belgischer Literaturen die zunehmende Entfremdung zwischen niederländischsprachiger und französischsprachiger Kultur in Belgien seit dem frühen 20. Jahrhundert und veranschaulicht die damit einhergehende Dekonstruktion gemeinsamer literarischer Elemente. Die Autonomie der beiden großen Sprachgruppen wirkt sich als zentrifugale Kraft im belgischen Föderalismus aus.[58] Im Ergebnis ist zudem eine kulturelle Entgrenzung Belgiens zu beobachten: So fand als Reaktion auf die emanzipatorischen kulturellen Bestrebungen auf flämischer Seite eine nachhaltige transkulturelle Vernetzung frankophoner Literatur mit den Institutionen Frankreichs statt. Ebenso entspricht die Gründung der „Nederlandse Taalunie“ als gemeinsames Konstrukt der Niederlande und Flanderns auf dem Gebiet von Sprache und Literatur einer Entgrenzung der flämischen Literatur. Gleichzeitig werden auf Einsprachigkeit basierende Vermittlungsmodelle – „niederländische Literatur“ und „französische Literatur“ – in Anlehnung an das klassische Modell der Nationalliteratur bedient.

 

V. Anmerkungen

[1] Deutsche Übersetzung: Jürgen Hillner (Boon, Louis Paul, Eine Straße in Ter-Muren, München, 1970, S. 221); Originaltext aus BOON, De Kapellekensbaan [1953], S. 234f.: „[G]e hebt een merkwaardig talent, maar wat u ontbreekt is dramatiek, en tevens spreekt ge belgisch, zodat uw pathos een koortsig ijlen lijkt. Merci voor de belangstelling, dacht reinaert die zich niet druk maakte”.

[2] Die Schweiz war mit Literatur in den Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 1998 und Gastland der Leipziger Buchmesse 2014. Kanada warb als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2020/21 unter dem Motto „Singular Plurality – Singulier Pluriel“ für die Vielfalt kanadischer Stimmen.

[3] Ich beziehe mich hier im Wesentlichen auf das Kapitel „Belgien: Nation, Sprachen und Literaturen“ in meiner Dissertation Belgische Literaturen in deutscher Übersetzung – Mehrsprachigkeit und Kulturtransfer (1945 bis zur Gegenwart), Brüssel, 2021, S. 25-32. Die deutschsprachige Literatur Belgiens wird in diesem Aufsatz nicht in die geschichtlichen Betrachtungen miteinbezogen, da diese anders als die französisch- und niederländischsprachige Literatur Belgiens nicht auf eine gemeinsame Wurzel im 19. Jahrhundert zurückgeht.

[4] Siehe zu detaillierten Betrachtungen das Kapitel „Institutionen und Vermittlungsmodelle“ in meiner Dissertation, S. 78-92.

[5] Vgl. KRÄMER, Der innere Konflikt, S. 23f.

[6] In Brüssel als politischem, administrativem und wirtschaftlichem Zentrum entwickelte sich das Französische zunehmend zu einer Lingua Franca; auch im privaten Bereich ging die Brüsseler Bevölkerung, die ursprünglich mehrheitlich den brabantischen Brüsseler Dialekt sprach, allmählich zum Französischen über, da sich hieraus gesellschaftliche Vorteile ergaben. Brüssel wurde im Ergebnis mehrheitlich französischsprachig. Siehe: JANSSENS, „Language policies“, S. 18: „Where in 1830 around 70% of the inhabitants of Brussels were monolingual Dutch speakers, one century later their number fell to less than 10%.”

[7] Vgl. KLINKENBERG, „La production“, S. 37.

[8] Vgl. ebd., S. 37f.

[9] Vgl. JANSSENS, „Language policies”, S. 14.

[10] Diese Markierungspunkte gehen auf Jean-Marie Klinkenberg zurück, der die „littérature belge“ (d.h. die belgische Literatur in französischer Sprache) in drei Phasen unterteilt: eine „phase centripète“ (1830-1920), eine „phase centrifuge“ (1920-1960) und eine „phase dialectique“ (ab 1960). Siehe dens, „La production“, S. 41-50.

[11] Ebd., S. 42.

[12] QUAGHEBEUR, „Spécificités“, S. 148.

[13] Vgl. ebd., S. 147.

[14] Vgl. BAUDET, À quoi, S. 117.

[15] Vgl. KLINKENBERG, „La production“, S. 42.

[16] Vgl. ebd., S. 43.

[17] KLINKENBERG, „La production“, S. 44: „thèmes naturelles (l’humidité, la plaine, la brume, la mer…), thèmes historiques et architecturaux (les béguinages, le beffrois, les ports, les villes commerçantes…), les thèmes moraux“.

[18] Ebd.

[19] Ebd.

[20] Da es keine einheitliche flämische Sprache gibt, subsumiere ich unter „flämisch“ alle in Belgien vorhandenen Varianten der niederländischen Sprache (z.B. west- und ostflämische, brabantische und limburgische Dialekte, aber auch das Standard-Niederländische).

[21] Vgl. GOBBERS, „‘Volksbeschaving! Nationaliteit!‘”, S. 720.

[22] Vgl. COUTTENIER, „Nationale beelden”, S. 61.

[23] Vgl. ebd.

[24] Vgl. ebd., S. 61f.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. ebd.

[27] „[…] volkstaal […] die door God geschonken werd”.

[28] Vgl. COUTTENIER, „Nationale beelden“, S. 67.

[29] Vgl. WAUTERS, „De Vlaamse literatuur“, S. 37.

[30] Vgl. Website der Koninklijke Academie voor Nederlandse Taal en Letteren, URL: http://kantl.be/over-kantl/geschiedenis, abgerufen am 27.10.2020.

[31] GOBBERS, „‘Volksbeschaving! Nationaliteit!‘”, S. 723.

[32] Ebd., S. 720f.

[33] Vgl. ebd., S. 721.

[34] Vgl. KLINKENBERG, „La production“, S. 45.

[35] Vgl. ebd.

[36] Vgl. DENIS/KLINKENBERG, La littérature belge, S. 146ff.

[37] Vgl. KLINKENBERG, „La production“, S. 46.

[38] Das „Manifeste du Groupe du Lundi“ wurde von 21 belgischen Schriftstellern unterzeichnet (u.a. Marie Gevers, Michel de Ghelderode, Franz Hellens, Charles Plisnier, Robert Poulet, Marcel Thiry und Robert Vivier) und spricht sich für eine „littérature française de Belgique“ aus; der Text erklärt das literarische Belgien unabhängig von politischen Grenzen zum integralen Bestandteil des literarischen Frankreichs (vgl. DIRKX, „Une périphérie?“, S. 363).

[39] Vgl. DENIS/KLINKENBERG, La littérature belge, S. 194ff.

[40] Ebd., S. 195: „[…] tandis que les Wallons restaient majoritairement prisonniers en Allemagne, la population flamande, ‘cousine’ germanique, se voyait octroyer des conditions plus souples ; cette inégalité de traitement correspond aussi à une différence de comportement face à la collaboration : celle-ci fut plutôt moindre en Wallonie et tendanciellement de nature opportuniste, tandis qu’en Flandre, elle fut importante et de nature plus idéologique, les activistes flamands s’étant majoritairement ralliés à l’occupant.“

[41] Vgl. DENIS/KLINKENBERG, La littérature belge, S. 197-199.

[42] Vgl. ebd., S. 199-201.

[43] Vgl. BREMS, Altijd weer vogels, S. 42.

[44] Vgl. ebd., S. 54.

[45] Vgl. KLINKENBERG, „La production“, S. 49.

[46] Diese Selbstbezeichnung wird von der Flämischen Gemeinschaft nicht anerkannt, da hierin eine unrechtmäßige Vereinnahmung Brüssels von frankophoner Seite gesehen wird. In der belgischen Verfassung lautet die offizielle Bezeichnung nach wie vor „Französische Gemeinschaft Belgiens“.

[47] Vgl. KRÄMER, Der innere Konflikt, S. 43.

[48] Vgl. HOUSCHEID/LETAWE, „Francfort“, S. 95-116.

[49] Vgl. DENIS/KLINKENBERG, La littérature belge, S. 211f.

[50] BAUDET, À quoi, S. 256: „La vie culturelle est de plus en plus nettement divisée en deux. Il faut d’ailleurs dire que, dorénavant, et un peu plus chaque année, en Belgique, ‘belge’ signifiera ‘non-flamand’. Les Flamands forment, ou sont en train de former, une ‚nation‘. Les Belges de langue française se cherchent encore“.

[51] Vgl. GEEST/MEYLAERTS, „Littératures“, S. 17-34.

[52] „Depuis longtemps en effet, notre littérature francophone se définit systématiquement comme ‘belge’. Elle est identifiée tant par la critique littéraire que par les études littéraires académiques comme ‘littérature francophone de Belgique’, comme ‘littérature belge de langue française’ ou encore, de nos jours, tout simplement ‘littérature belge’. Les néerlandophones, par contre, boudent le terme ‘belge - belgisch‘ et lui préfèrent l’expression ‘Vlaamse literatuur - littérature flamande’.“ (GEEST/MEYLAERTS; „Littératures”, S. 17)

[53] In seinem Buch À quoi pensent les Belges? nähert sich Baudet (S. 9) der „pensée belge“ wie folgt: „Dieses Denken offenbart sich entweder in Form von Literatur, und wir werden daher Romanschriftsteller und Dichter studieren; oder in Form von „Geisteswissenschaften“, und wir werden daher die Psychologie und Soziologie, Geschichte und Ethnologie, Linguistik und Grammatik, Wirtschaft und Demographie in Belgien studieren; oder schließlich in Form dessen, was man Philosophie nennt.“ [meine Übersetzung].

[54] Ebd., S. 289.

[55] Beispielsweise titelt die flämische Zeitschrift Knack (13.01.2015): „Hugo Claus belangrijkste Vlaamse schrijver aller tijden“ [Hugo Claus bedeutendster flämischer Autor aller Zeiten]; (https://www.knack.be/nieuws/boeken/
hugo-claus-belangrijkste-vlaamse-schrijver-aller-tijden/article-normal-524961.html, abgerufen am 20.06.2021).

[56] Vgl. POL-TEGGE, Belgische Literaturen, S. 84.

[57] Vgl. ebd., S. 88.

[58] Vgl. KRÄMER, Der innere Konflikt, S. 51.

 

VI. Verwendete Literatur:

-BAUDET, Jean C., À quoi pensent les Belges?, Paris/Bruxelles, 2010;

-BOON, Louis Paul, De Kapellekensbaan, 33. Auflage, Amsterdam, 2018 [1953];

-BOON, Louis Paul, Eine Straße in Ter-Muren, deutsch Jürgen Hillner, München, 1970;

-BREMS, Hugo, Altijd weer vogels die nesten beginnen. Geschiedenis van de Nederlandse literatuur 1945-2005, Amsterdam, 2006;

-COUTTENIER, Piet, „Nationale beelden in de Vlaamse literatuur van de negentiende eeuw”, in: Kas Deprez und Louis Vos (Hrsg.), Nationalisme in België. Identiteiten in beweging 1780-2000, Antwerpen/Baarn, 1999, S. 60-69;

-DENIS, Benoît und KLINKENBERG, Jean-Marie, La littérature belge. Précis d'histoire sociale, Bruxelles, 2005;

-DIRKX, Paul, „Une périphérie?“, in: Christian Berg et al. (Hrsg.), Littératures belges de langue française (1830-2000), Histoire et perspectives, Bruxelles, 2000, S. 341-368;

-GEEST, Dirk De und MEYLAERTS, Reine, „Littératures en Belgique/ Literaturen in België. Un problème, une problématique, un programme“, in: Dies. (Hrsg.), Littératures en Belgique/ Literaturen in België, Bruxelles, 2004, S. 17-34;

-GOBBERS, Walter, „‘Volksbeschaving! Nationaliteit!‘ Krachtlijnen van een geschiedenis van de 19de-eeuwse Vlaamse letteren”, in: Ons Erfdeel, Nr. 25/5, 1982, S. 718-728;

-HOUSCHEID, Karin und LETAWE, Céline, „Francfort en français: Et la Belgique francophone?“, in: Lendemains, Nr. 170/171, Jg. 43, 2018, S. 95-116;

-JANSSENS, Rudi, „Language policies versus language practices: A new language conflict?“, in: Giuditta Caliendo et al. (Hrsg.), Urban Multilingualism in Europe. Bridging the Gap between Language Policies and Language Practices, Berlin/Boston, 2019, S. 13-36;

-KLINKENBERG, Jean-Marie, „La production littéraire en Belgique francophone: esquisse d’une sociologie historique“, in: Littérature, 1981, Nr. 44/4, S. 33-50;

-KRÄMER, Philipp, Der innere Konflikt in Belgien: Sprache und Politik. Geschichte und Gegenwart der mehrsprachigen Gesellschaft, Saarbrücken, 2010;

-POL-TEGGE, Anja van de, Belgische Literaturen in deutscher Übersetzung – Mehrsprachigkeit und Kulturtransfer (1945 bis zur Gegenwart), Dissertationsschrift, Brüssel, 2021;

-QUAGHEBEUR, Marc, „Spécificités des lettres belges de langue française“, in: Le Bulletin Freudien, Nr. 33, 1999, S. 139-156;

-WAUTERS, Karel, „De Vlaamse literatuur van de negentiende eeuw: een literair-historisch probleemgebied doorgelicht”, in: Colloquium over de beeldvorming rond de 19de eeuw in Vlaanderen. Balans en perspectief 1971-1991, Zesde colloquium. Contactgroep 19de eeuw, Gent, 1991, S. 37-49;