LA CIVIL gehört zur exklusiven Auswahl des Benelux-Schwerpunkts auf dem diesjährigen Film Festival Cologne (21.-28.10.) und wird am 27.10. einem interessierten Publikum vor Ort präsentiert.
Das Filmdrama „La Civil“ der Regisseurin Teodora Ana Mihai ist eine fiktive Geschichte mit ernstem Hintergrund. Für Cielo (Arciela Ramírez), eine in Mexiko mit ihrer Tochter Laura (Denisse Azpilcuetta) lebende Frau, beginnt der Albtraum einer jeden Mutter, als sie erfährt, dass Laura durch ein Kartell entführt worden ist. Angetrieben von der Sorge um das eigene Kind wendet sie sich zunächst an ihren Ex-Mann Gustavo (Álvaro Guerrero), um die geforderte Lösegeldsumme beschaffen zu können. Von der Polizei im Stich gelassen, sucht die verzweifelte Mutter folgenschwere Hilfe bei einer örtlichen Militäreinheit. Doch je näher sie der Erkenntnis über den Verbleib ihrer Tochter mithilfe der brutalen Methoden des Leutnants Lamarque (Jorge A. Jiménez) kommt, desto größer werden die Abgründe, die sich vor und in Cielo auftun, bis sie sich letztlich in einem Netz aus Gewalt, Trauer und Zorn wiederfindet, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.
Das ursprünglich als Dokumentarfilm geplante[1] gut zweistündige Drama zeigt vor dem Hintergrund der erbarmungslosen und doch gesellschaftsprägenden Machenschaften[2] undurchdringlicher mexikanischer Kartelle das Schicksal einer Frau, deren Antrieb die Liebe zu ihrer Tochter ist. Inspiriert von der realen Begegnung mit einer Mutter, die sich durch den Verlust ihres Kindes im ständigen Kampf zwischen hasserfüllten Vergeltungsgedanken und resignierender Aussichtlosigkeit befand,[3] fokussiert die Regisseurin Teodora Ana Mihai in ihrem Film eine starke Mutterfigur, welche bemerkenswert von der mehrfach ausgezeichneten mexikanischen Schauspielerin Arciela Ramírez verkörpert wird. Zahlreiche Nah- und Detailaufnahmen, sowie Profilfokussierungen offenbaren jede noch so kleine Nuance der Gefühlswelt Cielos. Somit gelingt die herausragende Erzeugung einer Beziehung zwischen mitfühlendem Publikum und einer Protagonistin, für die die Suche nach der Wahrheit zur selbstzerstörerischen Lebensaufgabe wird.
Die Abwesenheit von Filmmusik, die augenscheinlich alleinige Nutzung alltäglicher und natürlicher Lichtquellen zur Beleuchtung, sowie schonungslose Bilder, welche die enorme Brutalität organisierter Kriminalität zutage bringen, unterstreichen die Wurzeln der jungen Regisseurin im Dokumentargenre. Zugleich wird eine gewisse Authentizität nach dem Vorbild der bekannten belgischen Filmemacher Dardenne suggeriert,[4] weshalb es kaum verwundert, dass eben diese sich in der Liste namhafter Co-Produzenten einreihen.[5]
Nicht uninteressant ist vor diesem Hintergrund auch die ungewöhnliche sprachliche Gestaltung des Films. In Anbetracht der Tatsache, dass das Drama in Mexiko spielt, einen mexikanischen Cast hat und das Drehbuch in Zusammenarbeit mit dem mexikanischen Romancier Habacuc Antonio de Rosario – einem Autor, der bereits in seinen Büchern die kriminellen Seiten Mexikos beleuchtet hat[6] – entstanden ist, erscheint die Entscheidung Mihais, den Film im Originalton gänzlich in spanischer Sprache zu drehen, als logische Konsequenz der Beibehaltung eines authentischen dokumentarähnlichen Stils, wenngleich dies auch eine ungewöhnliche Wahl für einen belgischen Film angesichts der belgischen Landessprachen darstellen mag. Dem Produzenten des Films Hans Everaert zufolge, offenbart sich in diesem außergewöhnlichen Entschluss die aktuelle Diversität flämischen Kinos.[7]
Tatsächlich wirkt der Film durch die Unterstützung namhafter belgischer Filmschaffende repräsentativ für ein vielseitiges und umso packenderes belgisches Kino, das sich durch die Porträtierung vielschichtiger Charaktere wie Cielo und die Behandlung komplexer Probleme und Themen auszeichnet. Beim Film „La Civil“ bleibt das Bild einer zugleich vulnerablen und starken Frau im Kopf, für die der Verlust des Kindes einen irreversiblen, lebens- und charakterverändernden Einschnitt und den Eintritt in den Teufelskreis eines perfiden Systems bedeutet. So schafft „La Civil“ durch Mitgefühl, Nähe und einer dynamischen Handlungs- sowie Charakterentwicklung eine nötige Sensibilisierung für das reale Schicksal zahlreicher Mütter und Familien, die Opfer der vor allem in Mexiko etablierten organisierten Kartellkriminalität geworden sind.
– Simon Luca Wellner, BelgienNet –
Anmerkungen
[1] Vgl. Mihai, Teodora Ana, „Director’s Note“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort 2021, 6-7.
[2] Vgl. Ramírez, Arcelia/International Publicity. The PR Factory, „Interview with Arcelia Ramírez“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort 2021, 22-25.
[3] Vgl. Mihai, Teodora Ana, „Director’s Note“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort 2021, 6-7.
[4] Vgl. Mihai, Teodora Ana /International Publicity. The PR Factory, „Interview with Teodora Ana Mihai“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort 2021, 22-25.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Mihai, Teodora Ana, „Director’s Note“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort 2021, 6-7.
[7] Vgl. Everaert, Hans, „Producer’s Note“, in: International Publicity. The PR Factory (Hrsg.), La Civil. Press Kit, o. Ort. 2021, 8.