Abstract

Dieser Beitrag stellt die Frage, ob die Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (hiernach: Ostbelgier) eine eigene kulturelle Identität haben. Um Antworten zu finden, ist es erforderlich, die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Zunächst befassen wir uns mit wissenschaftlicher Literatur, u.a. zur Geschichte und Entwicklung Ostbelgiens sowie zur allgemeinen Definition von Identität, um zu analysieren, wieso die kulturelle Identität Ostbelgiens eine Besonderheit darstellt. Danach ist es notwendig, die tatsächlichen aktuellen Erfahrungen und Empfindungen der Einwohner Ostbelgiens einzubeziehen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Wissenschaft in ihren Erkenntnissen wirklich das herausgefunden hat, was die Bürger vor Ort in ihrem alltäglichen Leben erfahren. Hierfür werden Befragungen herangezogen ("Vox Pop"). Zum Schluss folgt noch eine Analyse der Rolle der Ostbelgier als potentielle Kulturvermittler nach Michel Espagne.

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

"Ostbelgien". Was weiß man von dieser belgischen Region? Ist es überhaupt eine Region? Es fällt auf, dass gerade in Deutschland nicht viele Menschen wissen, dass es diesen deutschsprachigen Teil Belgiens gibt. Genau deshalb ist es erforderlich, hierüber aufzuklären. Wodurch ist die kulturelle Identität der Ostbelgier wirklich geprägt und woraus besteht sie? Die Betrachtung dieser Frage erweckt den Eindruck, Ostbelgien sei ein „Zwischenland“. Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft, „die 1973 […] als 'deutsche Kulturgemeinschaft' entstand, ein Nebenprodukt des flämisch-wallonischen Konfliktes ist“.[1] Dieses Zitat enthält schon einen wichtigen Hinweis, denn die Region wirkt hierin als „Nebenprodukt“ unbedeutsam und ohne eigene kulturelle Identität. Aber stimmt das?

Zur Analyse der Fragestellung muss zunächst einmal verstanden werden, was Ostbelgien ist und wo es sich überhaupt befindet. Es handelt sich streng genommen um die Deutschsprachige Gemeinschaft, die aus verfassungsrechtlicher Perspektive keine eigene Region Belgiens ist, sondern als Sprachgemeinschaft innerhalb der Region Wallonien liegt. Ostbelgien erstreckt sich längs der belgisch-deutschen Grenze. Im Norden stößt es an die Niederlande und im Süden an das Großherzogtum Luxemburg. Es hat ein Territorium von ungefähr 80 km Länge und 20 bis 30 km Breite. Es besteht größtenteils aus den ehemals preußischen Kantonen (daher auch oft "Ostkantone" genannt) Eupen und Sankt-Vith, aber ohne Malmedy.[2]

Abb. 1: Die Sprachgemeinschaften und Regionen Brüssels. Bitte klicken Sie auf die Karte für mehr Information. Ostbelgien ist hier blau markiert.

II. Die kulturelle Identität der Ostbelgier

II.a. Umstände der Identitätsbildung

Die Frage nach der kulturellen Identität der Ostbelgier ist komplex und kann nicht allein anhand des Terminus „Deutschsprachige Gemeinschaft“ beantwortet werden, denn die Sprache einer Gesellschaft ist nicht der einzige Faktor zur Ermittlung ihrer Identität. Was ist aber kulturelle Identität“? Zunächst ist zu beachten, dass es verschiedene Identitätsformen gibt. Neben der individuellen, d.h. personellen Identität, gibt es die kollektive Identität, welche „auf einem Wertekonsens und geteilten Normen“ beruht.[4] Bedeutet „kollektive Identität“ also „kulturelle Identität“? Erklärt "kollektive Identität" wie sich eine Gruppe von Menschen fühlt?

„Kollektive Identitäten stehen immer im Verdacht, Konstrukte zu sein“.[5] Jan Assmann behauptet in seiner Theorie des „kulturellen Gedächtnisses“: „Identität, auch Ich-Identität, ist immer ein gesellschaftliches Konstrukt und als solches immer kulturelle Identität. […] Naturwüchsige Identität gibt es nicht.“[6] Was bedeutet das? Demnach kommt es auf die Umstände an, in denen eine Gemeinschaft lebt. Im Fall von Ostbelgien ist es so, dass die Region sich aufgrund der belgischen und europäischen Geschichte und ihrer heutigen Stellung als Gemeinschaft über eine „Randposition“[7] definiert. Die bescheidene Position könnte prima vista für die Abwesenheit einer eigenen kulturellen Identität sprechen. Ostbelgien kommt als „kleinste[r] Gemeinschaft des Landes“[8] ohnehin generell wenig Bedeutung zu. Aus dieser Situation heraus entwickelte sich jedoch das Bestreben, eigene Wege zu gehen und „Kulturautonomie“[9] zu erreichen. 1971 sagte zum Beispiel der Chefredakteur des Regionalblattes Grenz-Echo: „Das Land [d.h. Belgien] ist dabei, die Ostkantone zu entdecken. Es hat nur fünfzig Jahre gedauert, bis man feststellte, dass 'ces braves gens là-bas' eigene Ideen über sich selbst haben und ernstgenommen werden wünschen“.

Der Wunsch lässt sich dadurch erklären, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft 1973 als Deutsche Kulturgemeinschaft entstand und somit gewissermaßen "ein Nebenprodukt des flämisch-wallonischen Konfliktes" war.[10] Der Umstand bestärkt das Gefühl vieler Ostbelgier, eine „Zwischenregion“ zu sein.[11] Ist das ein erster Hinweis darauf, dass Ostbelgien eine eigene, besondere Region ist? Dafür würde die besondere Bedeutung von mehreren Dialektgruppen in der Region sprechen. Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens ist nämlich nicht einfach nur „deutsch“. Sie ist ein „sprachlicher Kontaktraum verschiedener Mundarten und Schriftsprachen“.[12]  Im Norden gibt es die niederfränkische und ripuarische Mundart, im Süden die moselfränkische und ripuarische.[13]  (Hier finden Sie einen Dialektatlas der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit vielen Beispielen zum Anhören.[14])

Auch die bereits angedeuteten historischen Erfahrungen prägten das Selbstbild der Grenzregion, die zu keinem Land richtig gehört. Die Region um Eupen-Malmedy versuchte sich nach 1945 aufgrund der nationalsozialistischen Erfahrungen nämlich von Deutschland abzugrenzen (sie war vom III. Reich annektiert worden). Belgien war nach dem Krieg auch nicht mehr wirklich bereit, sich dieses Gebietes anzunehmen.[15] War es ein Startpunkt für die Entwicklung Ostbelgiens als Zwischenregion? Fest steht, dass sich die Bevölkerung nun „nirgends mehr zu Hause“[16] fühlte, und die Autonomiebestrebungen wuchsen. Kurz darauf wurde zudem versucht, die Region in ein französisches Gebiet umzuwandeln, was durch den Einwand katholischen Pfarrer allerdings misslang.[17] Die Flämische Bewegung sah die Ostbelgier währenddessen als „Bevölkerung des neu zu Belgien hinzugekommenen Gebiets von Eupen“.[18] Die Sprache Deutsch wurde als „Sprache des Feinds“ gesehen.[19] Die Region wurde also hin- und hergerissen und musste sich immer wieder fragen, ob sie nun deutsch- oder französischsprachig ist. Die kulturelle Identität der Ostbelgier kann indessen als „Schnittpunkt der germanischen und romanischen Kultur“[20] gesehen werden.

II.b. Rolle von Sprache und Bildung in der Identität

Ein weiterer wichtiger Bereich zur Feststellung der kulturellen Identität der Ostbelgier ist die Sprache sowie das Bildungssystem. Allgemein kann festgestellt werden, dass die deutsche Sprache eine immer kleiner werdende Rolle im Leben der belgischen Schülerinnen und Schüler einnimmt. Es lernen kaum noch Kinder in Belgien Deutsch.[21] In der Deutschsprachigen Gemeinschaft hingegen erfolgt der Unterricht in deutscher Sprache, da es die Muttersprache der Schülerinnen und Schüler ist. Zugleich gibt es in Ostbelgien auch Grundschulen, "in denen zum Schutz der französischsprachigen Minderheit Abteilungen eingerichtet worden sind, in denen der Unterricht in französischer Sprache erteilt wird“.[22]

Auch in Bezug auf die Sprache lässt sich also sagen, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft einen eigenen Weg geht und sich nicht in die deutsche oder französische „Ecke“ drängen lassen möchte. Die Anwesenheit von französischen Abteilungen und allgemein die Rolle des Französischen in der Region grenzen sie klar von der Sprachenrealität in Deutschland ab. Das Bildungsministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft setzt sich auch aktiv zur Förderung von Mehrsprachigkeit ein. Die Kinder sollen mehrere Sprachen lernen. Als Intention dahinter nennt der Minister für Bildung und wissenschaftliche Forschung Harald Mollers in einer Broschüre „die Tradition der Mehrsprachigkeit wieder als Sprungbrett für neue Initiativen zu nutzen, um die Sprachenvielfalt für möglichst viele Menschen als Chance nutzbar zu machen“.[23] Im weiteren Verlauf bezeichnet Mollers Ostbelgien selbst als „Grenzregion“.[24] Allgemein kann somit von einer Tendenz zur Mehrsprachigkeit gesprochen werden.[25] Diese Entwicklung zeigt, dass sich die Ostbelgier als eine kulturell diverse Gesellschaft definieren und damit ihre Identität erneut als eigenständig beschrieben werden kann.

II.c. Intrinsische Neigung zu Deutschland oder nicht?

Aufgrund der Sprachzugehörigkeit und geografischen Nähe könnte man der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens eine Neigung zu Deutschland unterstellen. Aber ist diese Neigung tatsächlich vorhanden? Als Beweis werden oft die Pendler genannt, die nach Deutschland zum Arbeiten fahren. Die folgende Infografik zeigt den hohen Anteil an Belgiern, die in Deutschland arbeiten.

Abb. 2: Infografik über die ostbelgischen Pendler nach Deutschland. (Ausführlicheres Quellenverzeichnis unten)

2018 wohnten von 5.605 belgischen Pendlern rund 4.175 in der Deutschsprachigen Gemeinschaft.[26] Doch beweist diese Pendlersituation eine Neigung zu Deutschland? Es ist zu einfach, aus diesen einfachen Zahlen heraus den Schluss zu ziehen, dass die Ostbelgier lieber in Deutschland arbeiten, da sie sich mit der Kultur identifizieren. Andere Gründe  könnten die vielfältigen Jobaussichten sein. Weitere Daten und Studien sind erforderlich, um Pendlerbewegungen sicher zu deuten.

Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass die Wissenschaft die kulturelle Identität der Ostbelgier insbesondere als Resultat der Geschichte Belgiens definiert, also als das Produkt historischer Ereignisse. Aber ist die historische Entwicklung als Deutschsprachige Gemeinschaft tatsächlich die einzige Quelle der Identität? Zuvor haben wir nämlich herausgefunden, dass es keine „naturwüchsige Identität gibt“.[27] Vergleichen wir also die wissenschaftlichen Aussagen mit Befragungen über die tatsächlichen Empfindungen der Ostbelgier.

III. Wissenschaft = Realität? - Vox Pop

Kann eine Übereinstimmung zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Empfindungen der Menschen vor Ort gefunden werden? Für diesen Vergleich müssen verschiedene Bereiche beleuchtet werden, begonnen mit dem Begriff „Ostbelgien“. Ein ausschlaggebender Punkt ist, dass die Einwohner sich selbst den Namen Ostbelgien gegeben haben.[28] Der Regierungschef der Deutschsprachigen Gemeinschaft deutet diesen Umstand als ein Zeichen dafür, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft sich eher mit Belgien identifiziert als mit Deutschland.[29]

Eine Befragung aus dem Jahr 2016 gibt weitere interessante Einblicke in dieses „Zwischenland“,[30] in dem es sowohl deutschen, als auch belgischen Einfluss gibt. Ostbelgien ist eine Mischform aus den verschiedenen Einflüssen. Dazu gehören auch bspw. französische Einflüsse. Genau diese These wird in der Befragung aus dem Jahr 2016 aufgestellt. Eine befragte Ostbelgierin sagt darin: „Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir Ostbelgier uns aus den verschiedenen Kulturen das Beste herauspicken: Zum Beispiel die französische Art zu leben gepaart mit der deutschen Gründlichkeit“.[31] In dieser Aussage zeigt sich, dass es die Einwohner sich nicht auf eine Seite schlagen, sondern stattdessen von beiden Kulturen profitieren.

Der Familien- und Gesundheitsminister der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Antonios Antoniadis, unterstreicht diese Attitude. In der Befragung lobt er die Gelassenheit der Belgier im Vergleich zu den Deutschen, bspw. im Supermarkt an der Kasse: „Ja, man ist schon etwas gelassener als der Bundesbürger“.[32]  Zwar vergleicht Antoniadis sich mit den Deutschen, grenzt sich aber trotzdem nicht dermaßen von ihnen ab, dass der Eindruck entstehen würde, er würde er sich eher als Belgier ansehen. Die Ostbelgier wandern zwischen beiden Ländern.[33]  So betont die schon erwähnte Befragte einerseits den zunehmenden deutschen Einfluss: „Durch die Tagesschau kennt man, glaube ich, den deutschen Finanzminister, die deutsche Bundeskanzlerin besser als manche Politiker aus Belgien. Ganz einfach weil das deutsche Fernsehen hier in der Region immer stärker präsent ist.“[34] Andererseits ergibt die Befragung, dass „90 Prozent [jubeln], wenn die Belgier ein Tor schießen“[35]  , was wiederum für eine Sympathie für Belgien sprechen würde. Folglich gibt es keine klare Neigung zu einer Kultur, sondern zu Aspekten aus beiden, wodurch erneut die These des Zwischenlandes bekräftigt wird. Eine weitere Befragung, mit der herausgefunden werden sollte, wie die Ostbelgier ihre Heimat definieren, hat zudem ergeben, dass sie dabei ihre Region nennen, statt Deutschland oder Belgien.[36]

Abb. 3: Infografik über eine Befragung zur Identität der Ostbelgier

Ergibt sich hieraus jetzt ein eindeutiges Bild zur kulturellen Identität der Ostbelgier? Die Ostbelgier wollen jedenfalls ihre eigene Identität aufbauen. Die Menschen sehen Ostbelgien als Zwischenregion. Diese Bezeichnung ist dabei keinesfalls minderwertig gemeint, denn die Ostbelgier haben den Anspruch, sich politisch und kulturell frei zu entfalten und ihre besondere Situation zu nutzen, um ihre eigene, ostbelgische Identität zu finden: „Wir haben […] inzwischen das Recht, unsere Politik hier maßgeblich selbst gestalten zu können“. Im Rahmen der Föderalisierung Belgiens seit den 1970er Jahren hat die Gemeinschaft schließlich auch ihr eigenes Parlament bekommen.[37] Einen eigenen Feiertag hat sie auch.

Zusammenfassend können wir sagen, dass sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse nur teilweise mit der Realität decken. In der Wissenschaft geht es um Fragen wie: Werden Ostbelgier zu Deutschland oder zu Belgien hingezogen? Welche Sprache wollen sie sprechen? Umfragen ergeben aber, dass sich die Einwohner Ostbelgiens überhaupt nicht eindeutig positionieren oder gar abgrenzen möchten. Für sie sind sie Ostbelgier und besitzen damit eine eigene kulturelle Identität. Diese Identität ist zwar externen Einflüssen ausgesetzt, diese fördern aber die Entwicklung einer kulturellen Identität als Grenzregion. Als Übereinstimmung mit der Wissenschaft kann formuliert werden, dass die Ostbelgier für mehr Autonomie kämpfen und als eigene Kultur wahrgenommen werden möchten. Ihre potentielle Funktion als Kulturvermittler, welche aus ihrer Grenzposition heraus entsteht, unterstreicht, dass Ostbelgier eine eigene kulturelle Identität mit wichtigen Aufgaben wie der Vermittlung haben.

IV. Ostbelgier als Kulturvermittler?

Letztlich entstand die Deutschsprachige Gemeinschaft aus der „fortschreitenden Trennung zwischen Flamen und Wallonen, den beiden 'großen' belgischen Volksgruppen“ Belgiens.[38] Dieser Gedanke lässt fragen, ob die Ostbelgier als Kulturvermittler nach Michel Espagne dienen könnten. Aber zwischen welchen Ländern bzw. Völkern, und wie würde diese Vermittlung aussehen?

Espagne betont in seiner Theorie des Kulturtransfers die Bedeutung des Kulturvermittlers als Beitrag zur interkulturellen Kommunikation.[39]  Eine Vermittlung zwischen Flandern und Wallonien ist auch heute noch wichtig, denn es gibt aufgrund der Geschichte kulturelle Unterschiede, bspw. bezüglich der Feiertage. Diese Unterschiede führen zu der Annahme, „Flamen und Wallonen [lähmen] sich […] gegenseitig politisch“.[40]  Im Jahr 2011 führte dieser Konflikt sogar dazu, dass es monatelang zu keiner politischen Einigung bezüglich einer Regierung kommen konnte. In den umliegenden Ländern herrschte der Eindruck, „der Streit zwischen den Sprachgruppen der Flamen und Wallonen [drohte], das Land zu spalten“.[41] Bei der Betrachtung dieser Problematik wird Ostbelgien immer als außenstehend wahrgenommen. Es ist „im Sprachen- und Kulturstreit zwischen Flamen und Wallonen der „lachende Dritte““[42] und kommt daher als Kulturvermittler in Frage. Diese Rolle kam besonders auf politischer Ebene schon mehrmals zum Tragen, als führende ostbelgische Regierungsmitglieder z.B. 2008 einen besänftigenden Vermittlungsauftrag erhielten.

Darüber hinaus stellt Zöllner die „Offenheit und [den] internationale[n] Austausch, [der für die Region] selbstverständlich“ ist,[43] heraus. Dies sind Eigenschaften, die die Ostbelgier zu geeigneten Kulturvermittlern, vor allem zwischen Belgien und Deutschland, machen. Gerade wenn die allgemeine Bereitschaft zum Erwerb der deutschen  Sprache in Belgien abnimmt, muss die Vermittlungsrolle der Ostbelgier immer wichtiger werden. Diese Vermittlungsfunktion verkörpert die Deutschsprachige Gemeinschaft auch in ihrem eigenen Verhältnis zum belgischen Königshaus, das in Ostbelgien zunehmend einen "Brückenkopf" zu Deutschland sieht.

In zukünftigen Forschungen muss dann herausgefunden werden, ob Ostbelgien in seiner Rolle als Kulturvermittler tatsächlich neutral agieren würde. Darüber hinaus müssen Studien belegen, inwiefern die Bevölkerung Ostbelgiens wirklich dazu bereit wäre, zwischen Flandern und Wallonien zu vermitteln, denn es besteht die Gefahr, dass sie an ihre eigene schmerzhafte Vergangenheit, in der sie von verschiedenen Seiten hin- und hergerissen wurde, erinnert wird. Sowieso ist die Suche nach mehr Autonomie und Anerkennung immer noch eine politische Priorität für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Als Konsequenz dieser Politik ist die Region auch weiter mit ihrer eigenen kulturellen Identitätssuche beschäftigt.

- Von C.L. Poniewas -

Dieser Beitrag ist im Sommersemester 2022 im Rahmen des Seminars " Landeskunde digital: Eine theoretische und praktische Einführung in landeskundliche Studien über BelgienDas Belgien" an der Universität Paderborn entstanden.

 

Anmerkungen

[1] BRÜLL, Christoph, "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott? Eine politische Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens“, in: Anne Begenat-Neuschäfer (Hrsg.), Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main, 2010, S. 27.

[2] Vgl. Bürgerinformationsportal der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, "Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien", in: Ostbelgienlive.be, URL: https://ostbelgienlive.be/desktopdefault.aspx/tabid-72/186_read-448/

[3] MINKE, Alfred, „Grenzland seit Menschengedenken“, in: Anne Begenat-Neuschäfer (Hrsg.), Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main, 2010, S. 4.

[4] GIESEN, B. und SEYFERT, R., "Gesellschaftliche Zusammenhänge. Kollektive Identität", in: Bundeszentrale für politische Bildung (18.03.2013), URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/156774/kollektive-identitaet/.

[5] BECK, Philipp, „Vergangenheitsbewältigung und Identitätssuche in der Literatur Ostbelgiens“, in: Anne Begenat-Neuschäfer (Hrsg.), Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgien.  Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main, 2010, S. 113.

[6] Vgl. ASSMANN, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München, 1992.

[7] BRÜLL, "Hilf dir selbst", S. 27

[8] Ebd., S. 27

[9] Ebd., S. 29

[10] Ebd., S. 27

[11] Vgl. PIEPER, M., "Deutschsprachige in Belgien. Die bestgeschützte Minderheit Europas", in: Deutschlandfunk, 2016, URL: https://www.deutschlandfunk.de/deutschsprachige-in-belgien-die-bestgeschuetzte-minderheit-100.html.

[12] WINTGENS, Leo, Grundlegung einer Geschichte der Literatur in Ostbelgien. Bild der sprachlichen Wechselwirkungen im Zwischenland, Eupen, 1986.

[13] MIESSEN, Werner, „Geschichte und Sprache der Ostbelgier in der Literatur. Ein bibliografischer Streifweg“, in: Anne Begenat-Neuschäfer (Hrsg.), Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main,  2010, S. 54.

[14] Vgl. Kulturerbeportal der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, "Dialektatlas der Deutschsprachigen Gemeinschaft", in: Ostbelgienkulturerbe.be, URL: https://ostbelgienkulturerbe.be/desktopdefault.aspx/tabid-3532/.

[15] MINKE, "Grenzland seit Menschengedenken", S. 18f.

[16] Ebd.,  S. 19

[17] Vgl. ebd.,  S. 21

[18] MÖLLER, Robert, "Die Minderheitensprache als Politikum“, in: Christoph Brüll et al. (Hrsg.), Grenzerfahrungen. Eine Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Bd. 4, Eupen, 2019, S. 351.

[19] „MÖLLER, "Die Minderheitensprache als Politikum", S. 351.

[20] ZÖLLNER, O., "Die 'letzten Belgier' sprechen Deutsch. Manifestationen kollektiver Identität in den belgischen Ostkantonen – ein Forschungstagebuch", in: www.oliverzoellner.de, 2012, URL: https://www.research-worldwide.de/belgium.html.

[21] BRÜLL, Belgien und Deutschland.

[22] Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, "Förderung der Mehrsprachigkeit in der Deutschsprachigen Gemeinschaft", in: Ostbelgien.be. Das Bildungsportal der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 2022, URL: https://ostbelgienbildung.be/desktopdefault.aspx/tabid-4629/.

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Vgl. „ZÖLLNER, "Die 'letzten Belgier'".

[26] Vgl. Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, "Pendler nach Deutschland. Aktuelle Situation", in: Ostbelgienstatistik.be, 2021, URL: https://ostbelgienstatistik.be/desktopdefault.aspx/tabid-3516/6325_read-37591/.

[27] ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis.

[28] Vgl. PIEPER, "Deutschsprachige in Belgien".

[29] Vgl. Ebd.

[30] Ebd.

[31] Ebd.

[32] Ebd.

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Ebd.

[36] Vgl. Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, "Die Identität der Bürger", in: Ostbelgienstatistik.be, 2022, URL: https://ostbelgienstatistik.be/desktopdefault.aspx/tabid-5958/10138_read-54262/.

[37] PIEPER, "Deutschsprachige in Belgien".

[38] MINKE, "Grenzland seit Menschengedenken", S. 3

[39] Vgl. ESPAGNE, Michel, "Rolle der Mittler im Kulturtransfer", in: H.-J. Lüsebrink und R. Reichardt (Hrsg.), Kulturtransfer im Epochenumbruch. Frankreich-Deutschland 1770-1815, Leipzig, 1997, S. 309f.

[40] Spiegel Politik, "Belgien. Flamen gegen Wallonen", in: Der Spiegel Politik online (13.07.2011), URL: https://www.spiegel.de/fotostrecke/belgien-flamen-gegen-wallonen-fotostrecke-70351.html.

[41] KÜNZI, R., „Teilung Belgiens ist nicht auszuschliessen“, in: SWI swissinfo.ch, 2010, URL: https://www.swissinfo.ch/ger/-teilung-belgiens-ist-nicht-auszuschliessen-/8789024 .

[42] ZÖLLNER, "Die 'letzten Belgier'".

[43] ZÖLLNER, "Die 'letzten Belgier'".

 

Quellen

ASSMANN, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München, 1992.

BECK, Philipp, „Vergangenheitsbewältigung und Identitätssuche in der Literatur Ostbelgiens“, in: Anne Begenat-Neuschäfer (Hrsg.), Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgien.  Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main, 2010, S. 113.

BEGENAT-NEUSCHÄFER, A., Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main, 2010.

BRÜLL, Christoph, "Belgien und Deutschland – eine kleine Beziehungsgeschichte", in: BelgienNet (25.06.2019), URL:  https://belgien.net/belgienunddeutschland-2/ (22.07.2022).

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BRÜLL, Christoph, LEJEUNE, Carlo und QUADFLIEG, Peter, "Staatenwechsel, Identitätskonflikte, Kriegserfahrungen (1915-1945)", in dens. (Hrsg.), Grenzerfahrungen: eine Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Bd. 4, Eupen, 2019.

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MÖLLER, Robert, "Die Minderheitensprache als Politikum“, in: Christoph Brüll et al. (Hrsg.), Grenzerfahrungen. Eine Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Bd. 4, Eupen, 2019, S. 348-365.

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Spiegel Politik, "Belgien. Flamen gegen Wallonen", in: Der Spiegel Politik online (13.07.2011), URL: https://www.spiegel.de/fotostrecke/belgien-flamen-gegen-wallonen-fotostrecke-70351.html (20.07.2022).

WINTGENS, Leo, Grundlegung einer Geschichte der Literatur in Ostbelgien. Bild der sprachlichen Wechselwirkungen im Zwischenland, Eupen, 1986.

ZÖLLNER, O., "Die 'letzten Belgier' sprechen Deutsch. Manifestationen kollektiver Identität in den belgischen Ostkantonen – ein Forschungstagebuch", in: www.oliverzoellner.de, 2012, URL: https://www.research-worldwide.de/belgium.html (30.06.2022).